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343 absolutio ab instantia angewendet werden, d. h. die Entscheidung wurde aufgeschoben, bis man iiber sichere Beweise verfiigte. In der Lehre und in Gesetzentwiirfen hatte man schon im 18. Jahrhundert verschiedene Vorschläge zur Behandlung von Angeklagten gemacht, die nicht gestehen wollten. Unter Rechtswissenschaftlern, die diese Frage näher behandelt haben, seien Justus Claproth," Johann Christian von Quistorp*^ und Callus Aloys Kaspar Kleinschroderwähnt. Alle beschreiben das Dilemma des Richters, "wenn er bei der Aburteilung einer Strafsache den Prinzipien der legalen Beweistheorie folgen mul?, ihm aber kein voller Beweis vorliegt. Alle drei verhalten sich der Folter gegeniiber abweisend und empfehlen die Verwendung des Instituts der absolutio av instantia sowie Internierung des Beschuldigten, und zwar vor allem bei schweren Straftaten. Aus den Arbeiten von Quistorps und Kleinschrods wie auch aus von Feuerbachs „Lehrbuch des gemeinen in Deutschland giiltigen peinlichen Rechts“ und Mittermaiers beiden Arbeiten „Die Lehre vom Beweise“ und „Das deutsche Strafverfahren“ ergibt sich auch, daft man gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Rechtsprechung verschiedener deutscher Staaten seit langem die absolutio ab instantia verwendete und Angeklagte, die nicht gestehen wollten, auf verschiedene Weise gefangensetzte. Nach von Feuerbach hatte die absolutio ab instantia die Folter und weitgehend auch den Reinigungseid ersetzt. 3.2. Die Entwicklung des deutschen Zivilprozesses im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts Wie schon erwähnt wurde der gemeine Prozefi keine gelungene Prozefiform. Die grol^e und tiefgehende Reform des Zivilprozesses wurde vor allemseit der Mitte des 19. Jahrhunderts unter demEinflufi der Cesetzgebung Napoleons in Frankreich durchgefuhrt. Das grofie Vorbild wurde der Code de procédure civile von 1806. Es wurde gefordert, der Prozefi solle den Prinzipien der Öffentlichkeit, Unmittelbarkeit und Miindlichkeit geniigen. Weiter wurde die freie Beweiswiirdigung verlangt und die freie Disposition der Parteien iiber Streitgegenstand und Verfahren, die freie Advokatur und eine vollständige Trennung der Justiz von der Exekutive. Der französische Prozefi wurde in den Staaten westlich des Rheins während der Besetzung Napoleons eingefiihrt und dann beibehalten, als sich Frankreich aus diesen Cebieten zuriickgezogen hatte. Imiibrigen Deutschland verzögerte " J. Claproih, Ohnmasgeblicher Entwurf eines Gesetzbuches, 1774—1776. ’’ J. Cbr. von Quistorp, Rechtliches Erachten, Wie in Ermangelung eines vollständigen Beweises, wider einen Angeschuldigten bey vorhandenen genugsamen Verdacht, zu verfahren sey, besonders an denjenigen Oertern, wo die Tortur abgeschaffet worden? 1774. " G. A. K. Kleinschrod. Ueber die Lossprechung von der Instanz im peinlichen Prozesse. 1797-1805, und Ueber die Wirkungen eines unvollkommenen Beweises in peinlichen Sachen, 1797-1805.

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