324 diese Entwicklung das Institut des Geständnisses imProzeftrecht dann negativ beeinflufit hat. Gleichzeitig gab es jedoch Faktoren, die zur Hervorhebung von Gewicht und Wert des Geständnisses beitrugen, wie beispielsweise die strenge Kirchenzucht, die während der Orthodoxie in jenen Ländern entwickelt wurde, in welchen die lutherische Lehre die herrschende Konfessionwar. Hinsichtlich der Kirchenzucht entwickelte sich eine intime Verbindung zwischen staatlichen und kirchlichen Behörden, und die Vergebung wurde mit der Verhängung körperlicher Strafen verbunden. Sowohl kirchliche wie auch staatliche Gerichte konnten also kirchliche Strafen fiir begangene Siinden und Vergehen verhängen, und das Erdulden dieser Strafen war eine Voraussetzung fiir die Erlangung der Vergebung. Ein anderer Faktor, der dazu beigetragen haben diirfte, die Bedeutung des Geständnisses zu unterstreichen, war die Erweckungsfrömmigkeit, die von den beiden Frömmigkeitsbewegungen des Pietismus und Herrnhutismus vertreten wurde. Diese beiden Bewegungen opponierten sich gegen jegliches Gewohnheitschristentum und wollten ein verinnerlichtes Christentum, das auf persönliche Entscheidung und ehrliche Frömmigkeit gegriindet war. In Brandenburg fiihrte die Kritik dieser Bewegungen dazu, daft der Kurfiirst 1698 Vorschriften erlieft, die den Beichtzwang abschafften und die freiwillige Beichte einfiihrten. Allerdings sollte jeden Sonnabendnachmittag eine Buftpredigt gehalten werden. Wer nicht den Beichtstuhl aufsuchte, hatte sich eine Woche vor demAbendmahlssonntag beim Pfarrer zu melden. Die Aufhebung des Beichtzwanges fiihrte dazu, daft die individuelle Beichte in den Hintergrund geriet und daft gegen Ende des 18. Jahrhunderts die allgemeine Beichte eingefiihrt wurde. Zu dieser Veränderung trug auch der Rationalismus bei. Da also die Entwicklung des Geständnisses nicht nur vor dem Flintergrund der herrschenden religiösen Anschauungen und der religiösen Praxis sondern auch vor dem Hintergrund des Prozeftrechts jener Zeit gesehen werden muft, habe ich im ersten Kapitel auch die Entwicklung des deutschen Zivil- und Strafprozesses im 17. und 18. Jahrhundert dargestellt. 1.2. Die Entivicklung des deutschen Zivilprozefirechts im17. und 18. Jahrhundert Der deutsche Zivilprozeft war liber die mittelalterliche Rezeption des römischen Rechts unter starken Einfluft des italienisch-kanonischen Prozeftrechts gekommen. Vor allem mit dem kanonischen Recht wurde das schriftliche, heimliche Verfahren in den deutschen Zivilprozeft eingefiihrt, das seinerseits dazu fiihrte, daft Prozesse langwierig und teuer wurden und daft man Advokatenhilfe in Anspruch nehmen muftte. Das schriftliche Verfahren wurde in den Kammergerichtsordnungen festgeschrieben, die zum Ende des 15. Jahrhunderts und im 16. Jahrhundert entstanden. Später wurde es dann auch bei der
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