244 ganzen zivilizierten Welt". Nähere geographische Bestimmungen kommen nur selten vor; Schrevelius sprach jedoch von den Rechtsregeln der europaischen Völker, Lassen von einemallgemeinen europäisch-amerikanischen Recht. Die Darstellungen der Entstehung dieses ius gentiumsind, wenn iiberhaupt vorhanden, sehr oberflächlich; sie können nur im weitesten Sinne des Wortes als „historisch“ bezeichnet werden. Nur andeutungsweise spricht man von den engen Beziehungen der Nationen, von einer wohl historisch verstandenen Kulturgemeinschaft oder ganz allgemein von einer Verwandtschaft der Völker iiberhaupt. Dagegen werden Hinweise auf die tatsächliche Rezeption des römischen Rechts imMittelalter vermieden, weil eine Rezeption in diesemUmfang im Norden nie stattfand, und man in dieser Weise nicht das ius gentium begriinden konnte. Die meisten Aussagen iiber ein ius gentiumbasieren auf der Vorstellung von einer christlich-europäischen Rechtsgemeinschaft, die in nicht näher definierter Weise während der gemeinsamen Geschichte entstanden sei. Nach Platou und Wrede gebe es jedoch vor allem im römischen Recht ein allgemein menschliches Element, das zu alien Zeiten und unter alien Völkern gemeinsam sei. Platou ging noch weiter, indemer behauptete, jedes Recht enthalte ein absolutes Element, das von der Natur des Menschen herriihre und seinen Grund in der Vernunft habe. Auch diese Aussagen sind keine Ausnahmnen, obwohl sie deutlich seltener als die Vorstellungen von einemeuropaischen ius gentiumsind. Mit der Annahme der Begriffsjurisprudenz wird in der nordischen Rechtswissenschaft die Ahnlichkeit der verschiedenen Rechtsordnungen auch mit einer Vorstellung von iibernationalen, unveränderlichen, vomGesetzgeber unabhängigen Begriffen begriindet. Nach Hagerup haben die Begriffe einen universellen Kern; diese Begriffe seien auch vor der Willkiir des Gesetzgebers geschiitzt. Der finnische Zivilrechtswissenschaftler Julian Serlachius behauptete, daB weder die historische Entwicklung noch die Gesetzgebung die Begriffe beeinflussen konne. Die Zahl der Begriffe sei konstant; die Rechtswissenschaft könne zwar neue Begriffe bilden, aber schon die Schöpfung eines neuen Begriffes deute auf einen Fehler in der theoretischen Konstruktion hin. Der finnische Laband-Schiiler Hermanson begriindete die Unterschiede in den nationalen Gesetzgebungen damit, dafi in den verschiedenen Rechtsordnungen die Begriffe auf verschiedene Weise miteinander verbunden seien; aufierdem gebe es auch Rechtssätze, die man nicht in Begriffe umwandeln könne. Schon 0rsteds Definition des ius gentiumdeutet die Kontinuität in den Begriindungen und den Gegenstand der Rezeption an. Wie erwahnt wurde, war im 18. Jahrhundert das römische Recht Naturrecht bzw. eine Quelle, aus der man Naturrecht schöpfen konnte; im 19. Jahrhundert wird oft gerade das römische Recht als ein ius gentium bezeichnet. Wie das Naturrecht im 18. Jahrhundert findet das ius gentium im 19. Jahrhundert allgemein Beifall in der nordischen Rechtswissenschaft. Die norwegische Rechtswissenschaft des friihen
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