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243 alien Zeiten giiltigen Vermögensrechtsprinzipien. In seinemObligationenrecht begriindete Julius Lassen die Bedeutung fremder Gesetzgebung und Literatur damit, dad die fuhrenden Grundsätze in den verschiedenen Rechtsordnungen gemeinsam seien. Nach Lassen könne man von einemallgemeinen europäischamerikanischen Recht sprechen. Diese Aussagen in der dänischen Rechtswissenschaft sind keine Ausnahmen in der nordischen Literatur. Schrevelius schrieb, die Rechtsregeln der europäischen Völker, wie auch deren Sprachen, seien einander sehr ähnlich; er fiihrte als Grund dafur die gleiche Kulturstufe und die engen Beziehungen der Nationen zueinander an. Deshalb sei die Rechtsvergleichung so wichtig; durch diese könne man eine allgemeine Rechtslehre konstruieren, was es erstaunlicherweise kaumgebe, während man zahlreiche Systeme des Naturrechts aufgestellt babe. Das römische Recht sei die gemeinsame Grundlage aller europäischen Recbtsordnungen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts gibt es aber auch kritische Stimmen; trotz der allgemeinen Ubernahme des Pandektenrechts und der Begriffsjurisprudenz betont man oft, das römische Recht sei ein historisches und nationales Recht, das nicht ohne weiteres in der modernen Gesellschaft verwendbar sei. Das Hervorheben des ausländischen Rechts in der norwegischen Doktrin des späten 19. Jahrhunderts kann auch als eine Reaktion gegen die ultranationalistische Methode Schweigaards angesehen werden. Nach Platou enthalte das römische Recht aulser einem nationalen Element auch ein allgemein menschliches, und es gebe iiberhaupt in den Rechtsmstituten verwandter Rechtsordnungen einen gemeinsamen Kern. Wieder wird die Bedeutung der gleichen Kultur erwähnt; die gemeinsamen Ziige finde man nicht nur im Privatrecht, sondern auch die Strafrechtswissenschaft sei völlig kosmopolitisch, und sowohl imöffenthchen Recht als imProzel^recht lerne man voneinander. In Finnland bezeichnet Wrede das römische Recht als ein ius gentium, das wegen seiner allgemein menschlichen Natur erne groBe Bedeutung zu alien Zeiten und unter alien Völkern habe. Dabei handelt es sich nicht umdas römische Recht des Corpus luris, sondern um das entwickelte, allgemein menschliche, „heutige“ lus gentium, von dem der historische, spezifisch römische Ballast abgeworfen worden war. Vorstellungen von der Existenz eines ius gentiumsind also Gemeingut in der nordischen Rechtswissenschaft des 19. Jahrhunderts; dagegen gingen die Meinungen iiber die Natur und den Geltungsbereich dieses gemeinsamen Rechts stark auseinander. Es ist natiirlich, daB das römische, und zwar das „heutige“ römische Recht, oft als ein lus gentium bezeichnet wird. Auch die moderne Gesetzgebung, wie See-, Handels- und Wechselrecht wird aber als ein ius gentium bezeichnet. Der Geltungsbereich wird nur in groben Umrissen gezeichnet: „in ziemlich entwickelten Staaten“, „in den christlichen Staaten“, „bei verwandten und auf gleicher Kulturstufe stehenden Völkern“, ja sogar „in der '

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