RB 46

242 Trotz der Annahme der Hauptthesen der historischen Schule erloschen nicht alle Vorstellungen von einemubernationalen Recht, well man imNorden einfach ausländische Rechtsregeln brauchte. Eine Rezeption war eigentlich mit den Thesen der historischen Schule schwer vereinbar. Obwohl man auch in den Schriften der Anhänger der historischen Schule Argumente fiir eine Rezeption finden kann, wurde die offene Aporie in der nordischen rechtswissenschaftlichen Literatur des 19. Jahrhunderts lieber stillschweigend beiseite gelegen. Nur Platou, der ein eifriger Befiirworter einer Anwendung ausländischen Rechts war, versuchte in den 90er Jahren, die Ansichten der historischen Schule zu widerlegen. Mit Hilfe von mehreren, auch deutschen Beispielen, wollte Platou zeigen, dais man nicht behaupten konnte, das Recht sei ein notwendiges Erzeugnis der nationalen Vergangenheit; vielmehr wollte er die Universalität des Rechts betonen. Das Naturrecht hatte nur wenig Bedeutung in der Lehre von den Rechtsquellen im 19. Jahrhundert; fur die Begriindung einer Rezeption fremden Rechts waren die Vorstellungen von einem ubernationalen, jedoch vor allem europäischen ius gentiumviel wichtiger. Das ausländische Recht wird zwar nie als eine Rechtsquelle bezeichnet; fremdes Recht wird meistens als ein Hilfsmittel zur Interpretation des eigenen Rechts dargestellt. Schon 0rsted begriindete seine häufige Verwendung ausländischer Rechtsregeln damit, dafi diese ius gentium seien. 0rsted bezeichnete wie im Corpus luris dieses ius gentium als ein „jus, quod naturalis ratio inter omnes homines constituit“; er betonte aber, dal5 dieses Recht nur in „ziemlich entwickelten Staaten“ vorkäme. 0rsted sprach auch von einer gemeinsamen Rechtsordnung der christlichen Staaten. Die Ansichten 0rsteds werden zuerst in Dänemark von späteren Autoren wiederholt. Larsen spricht von natiirlichen Rechtsregeln, die als subsidiäre Rechtssätze im positiven Recht benutzt werden können. Diese Regeln seien durch die gemeinsame Denkweise und durch iibereinstimmende Anschauungen iiber das Recht entstanden, so dal? sie eine allgemeine Giiltigkeit bei alien verwandten und auf gleicher Kulturstufe stehenden Völkern erhalten hätten; das römische ius gentium sei ein solches Recht. Larsen erwähnt auch mehrere, vor allem familienrechtliche, Rechtsregeln, die in den christlichen Staaten so allgemein angenommen seien, dal? sie Teile eines gemeinsamen Rechtssystems bildeten. Scheel behauptete, dal?, obwohl die Rechtswissenschaft national sei, es jedoch viele Rechtssätze gebe, die unter verwandten Völkern gemeinsam seien. Aagesen bezeichnete fremdes Vermögensrecht und die Literatur dieses Rechts als Hilfsmittel zum völligen Verständnis des dänischen Rechts. Auch auf dem Gebiet des Rechts sei die Kulturentwicklung eine gemeinsame Leistung der ganzen zivilizierten Welt. Ein Beispiel davon seien das römische ius gentium, das nicht als spezifisch römisch bezeichnet werden könne, und in neuerer Zeit das Handels-, See- und Wechselrecht. Aagesen behauptete weiter, gerade das römische Vermögensrecht enthalte eine klare Anwendung von zu

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=