239 mente der historischen Schule schmiickte. Die heutigen Argumente fur eine Gebundenheit kommen schon vor; nur Bornemann erwähnt die konstitutionellen Bedenken. Als einziger betont er den Unterschied zwischen einzelnen Präjudizien und einer festen Praxis. Die Veröffentlichung der Urteilsbegriindungen in Dänemark (1856) und in Norwegen (1863) beeinflufke nicht die Rechtsquellenlehre; in Dänemark betont Deuntzer, dab diese Bestimmung die Rechtsprechung in den Rang einer Rechtsquelle nicht erheben könne. A. W. Scheel, Deuntzer und Goos stehen alle auf dem Standpunkt, dafi die Gerichtspraxis, weil nicht absolut bindend, keine Rechtsquelle sei. Das konstitutionelle Argument gegen eine Gebundenheit wird oft erwähnt. Scheel bezeichnet mit Puchta die Rechtsprechung als ein Anwender des wissenschaftlichen Rechts. Trotzdem schätzen die Autoren die praktische Bedeutung der Gerichtspraxis ebenso hoch wie 0rsted. Ein Richter diirfe nicht „leichtsinnig“ oder „ohne ganz entscheidende Grunde“ von friiheren Entscheidungen abweichen, und die Rechtssicherheit, Ersparnisse usw. werden immer wieder erwähnt. Erst Bentzon bezeichnet jedoch die Rechtsprechung als eine Rechtsquelle, und er tadelt die friihere Fragestellung „entweder — oder“. Die Rechtsprechung sei eine Rechtsquelle von verschiedener Bedeutung, eine feste Praxis ähnele jedoch einer bindenden Rechtsquelle und könne ganz offen contra legcrn sein. In Norwegen ist schon seit den 60er Jahren die Einstellung zur Bedeutung der Rechtsprechung ausgesprochen positiv, und nur einige Autoren (Gjelsvik, Ingstad) verneinen, daft die Gerichtspraxis eine Rechtsquelle ist. Wie 0rsted erwähnen fast alle Autoren (Aubert, Hagerup, Stang, Gjelsvik, Platou) die Recht schaffende Funktion des Richters; eine wichtige, auch von der norwegischen Konstitution anerkannte Aufgabe der Rechtsprechung sei das Ausfiillen der immer notwendigerweise vorkommenden Liicken im Gesetz. Ein grower Teil des norwegischen Privatrechts sei von der Rechtsprechung des obersten Gerichtshofes erzeugtes Recht. Im Gegensatz zu den Autoren in den anderen nordischen Ländern erörtern die norwegischen Rechtswissenschaftler die näheren Vorraussetzungen fur eine Gebundenheit an Präjudizien; diese Erörterungen sind offenbar vomenglischen Recht beeinfluBt. Auch die schwedische Doktrin betont die Bedeutung der Rechtspraxis als Ergänzung der Gesetzgebung und des Gewohnheitsrechts und die Aufgabe des Richters, Liicken im Gesetz zu fiillen. Man macht jedoch oft einen Unterschied zwischen einer festen Praxis und einzelnen Präjudizien; nur eine feste Praxis sei als Gewohnheitsrecht bindend. Reuterskiöld unterscheidet zwischen einer Gesetzesliicken ausfiillenden und einer Gesetz auslegenden Praxis; die letztgenannte könne nie bindend sein, weil sie nicht Gewohnheitsrecht werden könne. In der finnischen Rechtsquellenlehre ist die Rechtsprechung keine Rechtsquelle, oder höchstens ein Teil des Gewc'ihnheitsrechts. Nach Ekström
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