235 wird bisweilen eine Rechtsquelle gerade als ein Teil des Gewohnheitsrechts. Eln Gewohnheltsrecht contra Icgcrn wird ausnahmslos anerkannt, oft nur nut cinem Hinweis auf die tatsächlichen Lage im norwegischen Recht. Seit 1908, als Stang einen Aufsatz veröffentlichte, macht man in der norwegischen Doktrin einen klaren Unterschied zwischen Gewohnheitsrecht und Usancen. Usancen scien kein Gewchnheitsrecht, sondern sie haben nur eine Bedeutung als Auslegungsmittel bei Verträgen. Auch in der schwedischen Doktrin spielen die Gerichte eine entscheidende Rolle bei der Entstehung des Gewohnheitsrechts. Reuterskiöld behauptet, dab Gewohnheitsrecht ohne die Mitwirkung der Gerichte iiberhaupt nicht entstehen könne. Die schwedischen Rechtswissenschaftler erlauben auberdem dem Richter eine freie Uberlegung fiber die Zweckmäbigkeit einer Gewohnheit. Nach Nordling diirfe der Richter priifen, ob eine Gewohnheit ein Ausdruck der allgemeinen Rechtsiiberzeugung und damit Gewohnheitsrecht sei oder nicht. Reuterskiöld interpretiert die Vorschrift in Kap. 1 § 11 des prozebrechtlichen Abschnittes im Gesetzbuch von 1734 so, dab der Richter frei entscheiden diirfe, ob eine billige Gewohnheit so wichtig sei, dab sie einen rechtlichen Schutz verdiene. Die schwedischen Autoren erkennen ein Gewohnheitsrecht contra legem an. In Finnland geht man am Ende des 19. Jahrhunderts zur neuen deutschen Lehre fiber: das Gewohnheitsrecht sei einfach deshalb geltend, weil es eine geschichtliche Tatsache sei. ImUnterschied zu Montgomery stimmt man nunmehr einem Gewohnheitsrecht contra legem zu, weil es in Finnland soldi ein Recht tatsächlich gebe. Die Bedeutung der Gerichte ffir die Entstehung des Gewohnheitsrechts wird hervorgehoben. Ekström kann jedoch die Lehre Reuterskiölds nicht billigen; die allgemeine Anerkennung einer Regel des Gewohnheitsrechts könne zur Folge haben, dab sie nie vomGericht geprfift werde. Die Lehre vom Gewohnheitsrecht des späten 19. und frfihen 20. Jahrhunderts unterscheidet sich in mancher Flinsicht von der Lehre der historischen Rechtsschule. Eine neue, realistische Einstellung kann deutlich wahrgenommen werden. Man schenkt jetzt der Frage Aufmerksamkeit, 'iver das Gewohnheitsrecht anwenden mub, und beschäftigt sich mit der Bedeutung der Gerichte bei der Entstehung des Gewohnheitsrechts; in mehreren Darstellungen ist die Grenze zwischen Gewohnheitsrecht und Gerichtspraxis fliebend. Wie frfiher werden verschiedene Voraussetzungen fur die Entstehung des Gewohnheitsrechts aufgezählt; man vermeidet aber, genaue Bedingungen aufzustellen. Schon am Anfang dieses Jahrhunderts gewährt man dem Richter ein weitgehendes Recht, die Anwendbarkeit und Zweckmäbigkeit einer Gewohnheit zu prfifen. Auch die Anerkennung eines Gewohnheitsrechts contra legem ist ein Beispiel des neuen Realismus; oft ist das einzige Argument ein Hinweis auf das tatsächliche Dasein dieses Rechts. In dieser Beziehung unterscheidet sich die danische Rechtswissenschaft von der Doktrin der anderen nordischen Länder.
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=