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233 0rsted gibt sich viel Miihe, die Auffassung Norregaards und Hurtigkarls, daiJ nur das geschriebene Gesetz eine Rechtsquelle sei, zu widerlegen. Obwohl auch Norregaard und Hurtigkarl die Lehre von der stillschweigenden Genehmigung des Gesetzgebers als Grundlage des Gewohnheitsrechts nicht anerkannten, argumentiert 0rsted ausfuhrlich gegen diese Lehre. Schon vor dem Gesetzgeber babe es ein vom Volk anerkanntes Recht gegeben, und obwohl der Gesetzgeber dieses Gewohnheitsrecht aufheben könne, wäre es jedoch kaum angemessen, die Geltung jeder Rechtsregel von der stillschweigenden Genehmigung des Gesetzgebers abzuleiten. Auch wenn man diese „kaum natiirliche Vorstellung“ akzeptiere, miisse man eine allgemeine Genehmigung voraussetzen. Eine gesetzwidrige Gewohnheit habe aber keine Kraft. 0rsted behauptet weiter, dab Norregaard und Hurtigkarl selbst im Naturrecht ein ungeschriebenes Recht anerkannt haben. Viele als Naturrecht anerkannte Rechtsregeln seien aber tatsächlich „naturliches“ Gewohnheitsrecht. Der Gesetzgeber diirfe keine willkiirlichen Vorschriften erlassen; seine Aufgabe sei eine vorsichtige Unterstiitzung des Gewohnheitsrechts, das immer die notwendige Grundlage der Rechtsordnung sei. In den Vorlesungen Larsens sind die Vorstellungen Puchtas noch unbekannt, und die Darstellung basiert im ganzen auf 0rsted; Larsen erkennt jedoch ein Gewohnheitsrecht gegen Dispositivgesetze an. Der eher von Hegel als von der historischen Rechtsschule beeinflubte Bornemann bezeichnet das Gewohnheitsrecht als eine selbständige Rechtsquelle. Er betont aber auch, dab die Gesetzgebung mehrere Vorteile imVergleich zumGewohnheitsrecht habe, Wissenschaftlichkeit, Bestimmtheit, Zweckmäbigkeit usw. Erst A. W. Scheel fuhrt die Lehre der historischen Rechtsschule in Dänemark ein. Eine Gewohnheit, die gegen ein absolutes Gesetz verstobe, sei jedoch ein Mibbrauch und damit ohne Geltung. In Schweden stimmt Schrevelius schon in den 40er Jahren als erster in der nordischen rechtswissenschaftlichen Literatur der Lehre Savignys und Puchtas zu; er ist auch der Meinung, dab Gesetz und Gewohnheitsrecht völlig ebenbiirtige Rechtsquellen seien. In Norwegen fiihrt Brandt die Lehre der historischen Rechtsschule ein (1862); eine allgemeine Gewohnheit, die imWiderspruch zu einem absoluten Gesetz steht, sei nach ihm aber sowohl ein Unrecht als auch in der Wirklichkeit nie vorkommend. In Finnland wird die neue Lehre vom Gewohnheitsrecht erst von Montgomery dargestellt. Er behauptet, das Gewohnheitsrecht sei noch eine wichtige Rechtsquelle; viele Analogien in den Urteilsgriinden basieren tatsächlich auf Gewohnheiten. Wegen der Regel in Kap. 1 § 11 des prozebrechtlichen Abschnittes im Gesetzbuch von 1734 diirfe man aber die Möglichkeit eines Gewohnheitsrechts contra legem iiberhaupt nicht erörtern. Die Lehre der historischen Rechtsschule wird mit einiger Verspätung umdie Mitte des 19. Jahrhunderts ein Gegenstand der Rezeption m der nordischen Doktrin; zuerst in den 40er Jahren in Schweden, dann in den 60er Jahren in

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