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229 Mehrere Autoren stellen eine Rangfolge der Rechtsquellen auf. Das Gesetz wird zwar im allgemeinen als die primäre Rechtsquelle angesehen, aber insbesondere nach einigen norwegischen Rechtswissenschaftlern seien Gewohnheitsrecht und sogar Gerichtsgebrauch dem Gesetz ebenbiirtig. Vor allem in der dänischen Doktrin spricht man von subsidiären Rechtsquellen; erst Bentzon verneint eine Rangordnung unter diesen Rechtsquellen. Eine Analyse der Rechtsquellenlehre des 19. Jahrhunderts, die bei den ausdriicklich als Rechtsquellen bezeichneten Materien stehen bleibt, enthalt jedoch höchstens die halbe Wahrheit. Wegen der oft dogmatischen Grundlage der Rechtsquellenlehre und des starren Begriffes der Rechtsquelle wird in mehreren Werken ein bedeutender Teil der Rechtsquellen als „Hilfsquellen“, „Auslegungsmittel“ usw. dargestellt. Andere Autoren vermeiden die Frage, indem sie z. B. die Natur der Sache in der Rechtsquellenlehre behandeln, ohne dazu Stellung zu nehmen, ob es sich um eine Rechtsquelle handelt (z. B. Hagerup). Wenn der angenommene Begriff der Rechtsquelle voraussetzt, da(5 eine Rechtsquelle absolut bmdend ist, ist es natiirlich z. B. den Gerichtsgebrauch als eine Hilfsquelle zu behandeln; man war ja sich der tatsächlichen Bedeutung dieser Quelle durchaus bewul^t. Mit dieser Methode, die iibrigens schon in der Literatur des 18. Jahrhunderts vorkommt, wurde eine flexible, praktisch verwendbare Rechtsquellenlehre fast im geheimen geschaffen. Besonders fiir die Autoren, die einem engen Begriff der Rechtsquelle zustimmen, sind die Termini Hilfsquelle usw. wichtig; vor allem Gerichtsgebrauch, Doktrin und Natur der Sache werden oft als Hilfsquellen bezeichnet. In Dänemark verlor die Praxis ihre Stellung als Rechtsquelle in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, weil man dariiber einig war, dafi die Präjudikate nicht absolut bindend waren. Trotzdem betonten Bornemann, Scheel, Goos und Deuntzer, dafi man den Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes in der Regel Folge leistete, und diese Autoren wiederholten die Argumente 0rsteds fur das Gebundensein an Präjudikate: Rechtssicherheit, Autorität der Gerichte usw. In Finnland begriindete Montgomery ausfiihrlich seine Ablehnung der Vorstellung von der Praxis als Rechtsquelle; trotzdembetonte er, dal? der Gerichtsgebrauch dieselbe Funktion als wirkliche Rechtssätze hatte. Die Rechtswissenschaft war nach Montgomery eine „unentbehrliche Hilfsquelle“. In mehreren Werken wurde ausländisches Recht als eine wichtige Hilfsquelle bezeichnet, dieses Recht wurde ja nie als eine Rechtsquelle bezeichnet. Insbesondere Ross hat die traditionellen rechtswissenschaftlichen Darstellungen beschuldigt, zwischen einer normativen und einer deskriptiven Rechtsquellenlehre zu schwanken. Ross selbst forderte eine deskriptive Rechtsquellenlehre, er gab aber zu, dal? die Lehre nicht rein deskriptiv sein könnte; der Gegenstand der Lehre seien die normativen Vorstellungen des Richters von den Rechtsquellen, die sog. Richterideologie. In der neueren Doktrin folgt man zwar der 16

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