70 tung des inneren Lebens der Fakultät, mit der Ausschliefiungvon alien anderen Rticksichten, in die Zuständigkeit der wissenschaftlichen Vernunft. Diese Kopplung zwischen der Bejahung der freien Wissenschaftlichkeit durch die Vernunft und der Ansicht von der angenommenen Autonomie der philosophischen Fakultät, geht deutlich aus folgendemPassus hervor: „Nun nennt man das Vermögen, nach der Autonomie, d.i. frei (Prinzipien des Denkens uberhaupt gemäfi), zu urteilen, die Vernunft. Also wird die philosophische Fakultät darum, weil sie fiir die Wahrheit der Lehren, die sie aufnehmen oder auch nur einräumen soil, stehen mufi, insofern als frei und nur unter der Gesetzgebung der Vernunft, nicht der Regierung stehend gedacht werden miissen. « 12 Der Streit der Fakultäten ist, so scheint Kant zu meinen, ein Streit zwischen zwei verschiedenen Argumentationsgrundlagen. Fine gelehrte Tätigkeit kann entweder in erster Linie mit der Absicht gestaltet werden, imVerhältnis zu äuBeren Interessen und Zwecken niitzlich zu sein, oder sie kann in demGrade, in dem der aktuelle erkenntnistheoretische Standpunkt es zuläfit, durch eine absolut wissenschaftliche Methodik als getrennt von solchen Riicksichten aufgefal^t werden. Die oberen Fakultäten und die untere Fakultät verkörperten genau diese, diametral entgegengesetzten Ausgangspunkte. In demMafie, in dem das Verhältnis zwischen diesen beiden Klassen von Fakultäten allein von einer äufieren Gesetzgebung und einer fiir die Wissenschaft fremden Entscheidungsmacht geregelt wurde, ist es offenbar angebracht, die freie Fakultät als unterlegen gegeniiber den Fakultäten zu betrachten, denen nach Kants Auffassung zwar wissenschaftliche Autonomie fehlt, aber die einen grofien, wenn auch nur vermittelnden Einflufi auf die Welt aufierhalb der Universität ausiiben. Durch den gesetzwidrigen Kampf zwischen den Fakuläten entstand allmählich eine Rangordnung unter den Fakultäten, die ausschliefilich auf der Tauglichkeit der einzelnen Fakultät als Werkzeug zur Erfiillung von äuBeren Zwecken basierte. Die natiirliche Konsequenz des Strebens der philosophischen Fakultät, die prinzipielle Freiheit der Wissenschaft zu wahren, war folglich, daB man zu der Auffassung kam, dal? sie die untere Fakultät in der Universitätsorganisation darstellte; „Dafi aber eine solche Fakultät unerachtet dieses groi^en Vorzugs (der Freiheit) dennoch die untere genannt wird, davon ist die Ursache in der Natur des Menschen anzutreffen; dafi nämlich der, welcher befehlen kann, ob er gleich ein demiitiger Diener eines andern ist, sich doch vornehmer diinkt als ein anderer, der zwar frei ist, aber niemanden zu befehlen hat. “ 13 Die Einteilung der einzelnen Lehrfächer in ,,obere“ respektive „untere“ Fakultäten, zu der, wie Kant feststellte, der gesetzwidrige Streit der Fakultäten fiihrte, erfolgte mithin nach äufieren Zwecken und nicht nach dem Interesse der AaO. S. 337. ■' AaO. S. 330.
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