61 „In der Freiheit, d.h. im Handeln selbst, stellt sich daher die Nothwendigkeit her, sowie nur dagegen ein wahrhaft absolutes Wissen zugleich ein Wissen mit absoluter Nothwendigkeit und mit absoluter Freiheit ist.“ Einc derartige Handlungsbereitschaft konnte doch nur die Wissenschaft erreichen, die selbst eine Verschmelzung zwischen demreinen Wissen und demreinen Handeln darstellte. Die einzigen Wissenschaften, die durch ihre akademische Methode diese Forderungen erfiillen konnten, waren die objektgeprägten Disziplinen. Schellings Uberzeugung, dafi die realen Wissenschaften in Relation zu sowohl der allgemeinen Natur der Wissenschaft als auch deren besonderen, objektiven Eigenart aufgefafit werden konnten und mufiten, geht klar und deutlich aus folgender Passage hervor: „Ich mufi hier eine Vorstellung beriihren, die sich diejenigen, an welche die Forderung ihr besonderes Fach im Geist des Ganzen zu behandeln, gemacht wird, gewöhnlich davon machen, nämlich, als werde verlangt, sie sollen es als hlofies Mittel betrachten; es ist aber vielmehr das gerade Gegentheil der Fall: dafi jeder seine Wissenschaft in dem Verhältnifi imGeist des Ganzen betreibt, in welchem er sie als Zweck an sich selbst und als absolut (als selbständig) betrachtet. Schon an sich selbst kann nichts als Glied in einer wahren Totalitat begriffen seyn, was in ihm blofi als Mittel wirkt. Eben dadurch, dafi das Besondere in sich absolut ist, ist es auch wieder im Absoluten und integranter Theil desselben, und umgekehrt. Je mehr ein Gelehrter seinen besonderen Kreis als Zweck an sich selbst begreift, )a ihn ftir sich wieder zum Mittelpunkt alles Wissens macht, den er zur allbefassenden Totalitat erweitern möchte (in dem er das ganze Universum reflektirt möchte), desto mehr bestrebt er sich, Allgemeines und Ideen in ihm auszudrticken. Dagegen )e weniger er vermag, ihn mit umversellemSinn zu fassen, desto mehr wird er ihn, er mag sich nun dessen bewufit und nicht bewufit seyn, weil das, was nicht Zweck an sich selbst ist, nur Mittel seyn kann, und als Mittel begreiien. Dies miifste nun billig jedem, der sich selbst ehrt, unerträglich seyn; daher mit dieser Beschränktheit gewöhnlich auch die gemeine Gesinnung und der Mangel des wahren Interesse an der Wissenschaft, aufier dem, welches sie als Mittel fiir sehr reale, aul^ere Zwecke hat, vergesellschaftet ist. « 194 Dieses grof^artige Plädoyer fiir die Anwendung des Argumentationsgrundes der freien Wissenschaftlichkeit in den spezialwissenschaftlichen Tätigkeiten, bedarf eigentlich keiner Erläuterungen. Es kann aber dennoch angebracht sein, hervorzuheben, welche Veränderung die Einfiihrung des absoluten Standpunktes in der Philosophie fiir die Forderung der objektgeprägten Wissenden. Jeder Wissenschaft, die nicht empirisch ist, mul5 durch ihr erstes Prinzip schon alien Empirismus ausschliefien, d.h. ihr Objekt nicht als schon vorhanden voraussetzen, sondern es hervorbringen. ’Damit wurde gewissernialk*n mit jener ,kopernikanischen Wendung' vom Kant tatsächlich, bereits beginnend mit Fichte, durch Schelling ernst gemacht, nämlich zu versuchen, ,ob uns nicht in den Aufgaben der Metaphvsik damn besser tortkommen, dafi wir annehmen, die Gegenstande miissen sich nach unserer Eirkenntnis richten', statt wie bisher umgekehrt angenommen wurde, ,alle unsere Erkenntnis miisse sich nach den Gegenstanden richten"'. Schelling, aaO. S. 222, Fn. 2. AaO. S. 232.
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