57 Gesetzmäfiigkeit ausgeben und als leistungsfähig erweisen können. In diesem Sinne frei ist die Wissenschaft, wenn sie wirklich nur sie selbst ist. Dann aber gilt es auch sie, von allem nicht wissenschaftlichen . . . scharf zu unterscheiden“.*^^ Der notwendige Bewegungscharakter der Wissenschaft wird in diesem Ritschl-Zitat sehr deutlich ausgedriickt; eine wahre freie Vernunft mufite, gemäft Schelling, „die freieste wissenschaftliche Bewegung . . . wollen“ und infolgedessen stellt die wissenschaftliche Methode eine Kraft dar, angesichts deren kein Teil der Wissenschaft als fremd angesehen werden darf oder als fremd angesehen werden kann. Das theoretische Fundament fiir die freie wissenschaftliche Tätigkeit war damit gelegt: die idealistische Vervollkommnung der kopernikanischen Wende des kantianischen Vernunftsstandpunktes sollte eine ganz neue Auffassung von der Natur der Erkenntnis und der Wissenschaft bedeuten'^^ - die Bildung von Organismen nach dem Argumentationsgrund ,,die Forderungen der Wissenschaft". Die Vernunft wurde in dieser Lage vor eine Entscheidung gestellt: das erkenntnistheoretische Subjekt konnte wählen, seine Tätigkeit entweder nach wechselnden, zufälligen Zwecken oder nach einem wissenschaftlichen Argumentationsgrund, den dessen absoluter Standpunkt hervorgebracht hatte, auszuiiben. Die Suche nach Freiheit in subjektivem Gutdiinken der friiheren unvollkommenen Vernunftsstandpunkte, brandmarkte Schelling als „ein unmittelbarer Spröl^ling der wohlbekannten Aufklärerei",'^^ indem das Mittel, durch eine unnatiirliche Zweiteilung von dem menschlichen Dasein im Wissen und Handeln, zumZweck gemacht wurde: „Es ist hinreichend, diese Verhältnisse auch nur in der höchsten Abstraktion zu fassen, um einzusehen, dafi die Entgegensetzung, in welcher die beiden Einheiten innerhalb der gleichen Identität des Urwissens, als Wissen und Handeln erscheinen, nur fiir die blofi endliche Auffassung stattfindet; denn es ist von sich selbst klar, dal5, wenn in dem Wissen das Unendliche sich dem Endlichen auf ideale Art, imHandeln auf gleiche Weise die Endlichkeit sich der Unendlichkeit einbildet, jede von beiden in der Idee oder demAn-sich die gleiche absolute Einheit des Urwissens ausdriicke." Von der absoluten Vernunftsposition als Ausgangspunkt sollte die Vernunft stattdessen dazu fähig sein, die wahre Beziehung zwischen Wissen und Handeln wiederherzustellen. Das allgemeine Primat des Idealen bedeutete, nach Schelling, dafi die Vernunft die Freiheit der Erkenntnis in deren apriorischen Notwendigkeitscharakter suchen muftte, oder mit anderen Worten, in dembesonderen Wesen der Wissenschaft. Damit sollte die Illusion zerstört werden, die dazu fiihrte, da£ die historische oder individuelle Freiheit als der philosoMeine Hervorhebung. Schelling, aaO. S. 229. Siehe Kaulbach, Philosophic der Beschreibung, S. 352 f. Schelling, aaO. S. 276. AaO. S. 220.
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