52 Einheit des unbedingt Idealen und des unbedingt Realen ist nur dadurch möglich, dafi dasselbe, welches das eine ist, auch das andere ist. Dieses aber ist die Idee des Absoluten, welche die ist: dafi die Idee in Ansehung seiner auch das Seyn ist. So dafi das Absolute auch jene oberste Voraussetzung des Wissens und das erste Wissen selbst ist.“ Schelling hatte damit eine allgemeine Legitimation fiir die Vernunft geschaffen, um hinter dem Nebel der konkreten Vielfalt die Ordnung der Dinge zu suchen. Dadurch wurde der menschlichen Vernunft eine Möglichkeit eröffnet, ihren Bedarf an einemmethodologischen Ausgangspunkt zu erfiillen, von dem aus der historische Stoff philosophische Notwendigkeit erreichen konnte - denn, mit Schellings Worten: die Wissenschaftler „wollen, daft das Concrete und das in besondern Erscheinungen Undurchdringliche sich fiir sie in die reine Evidenz und die Durchsichtigkeit einer allgemeinen Vernunfterkenntnifi auslöse“.*^^ Im ErkenntnisprozeR geht die absolute Vernunft bei ihrer Begegnung mit der Vielfalt des Stoffes von einem undeutlichen Bild von dessen verborgener Einheit aus; dieses Bild stellt in der schellingschen Erkenntnistheorie die Idee dar. Mit der Idee als Selektionsgrund hat die Vernunft ein Werkzeug erhalten— einen „intellectus Archetypus“ , der die Beseitigung der Einheiten imStoff ermöglicht, die nur zufällige, oberflächliche Zwecksetzungen ausdriicken. Der so strukturierte Stoff wurde vom Erkenntnissubjekt primär als fiir die Sinne offenbarte - objektivierte — Vernunft aufgefafit. Es erweist sich jedoch, daft auch diese ideale Bearbeitung des historischen Stoffes zur Enthiillung der inneren Ordnung der Dinge fiihrt; der durch die Vernunftsausiibung organisierte Stoff driickt nämlich eine ihm innewohnende, bis dahin verborgene Objekteinheit aus. Das Bild von der wahren Natur der Dinge zeichnet sich, je länger die dialektische Bewegung zwischen der idealen Bestimmung der Objekterkenntnis und der realen Wesenseinheit durch die Vernunft betrieben wird, immer klarer fiir die Vernunft ab. Die reproduktive Fähigkeit der Vernunft fiihrte damit zu einer kontinuierlichen Potenzierung ihrer eigenen produktiven Kraft. Die Synthese von diesen entgegengesetzten Bewegungen im Erkenntnisakt - Erfahrungserkenntnis als sowohl Eindruck wie auch Ausdruck fiir die Vernunft — bedeutete, dafi auch die Objektwelt fiir die bewufite Bildung durch die Vernunft geöffnet wurde. Die Philosophie war die Disziplin, deren Aufgabe es war, die Charakteristika der wissenschaftlichen Relation zu bestimmen. Durch die philosophische Erkenntnis sollten die verschiedenen Objekterkenntnisse zu einer wissenschaftlichen Einheit verbunden werden. Nach Schellings Auffassung gibt es folglich „keine Wissenschaft, die an sich in Entgegensetzung mit der Philosophie ware. Schelling, aaO. S. 216. AaO. S. 215 1. Lange/Biedermann, aaO. S. 26, vgl. „Typus der Betrachtung", Kaulbach, aaO. S. 358.
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