RB 44

46 gemeine Einheit der Erkenntnis zu bewahren'^^ und deren Trieb durch philosophische Begrenzung die Metaphysik zu isolieren, vor die Aufgabe gestellt, eine materielle Vernunftsposition zu finden. Die Position der kantianischen Vernunft in Kritik der Urteilskraft wurde nicht mit der Absicht konstruiert, in erkenntnistheoretischer Hinsicht die objektive Wesenseinheit mit der formellen Erkenntnisstruktur des Subjekts gleichzustellen. Die Vernunft wurde allerdings zur Aufstellung einer Hypothese gezwungen, auf Grund deren sie die innere Zweckmäf^igkeit der Natur nach ihrer eigenen Struktur zv konstruieren vermochte: von jeder Vernunftsidee wurde angenommen, daft sie eine Entsprechung in der Natur babe. Aber die materielle Vernunftseinheit, die diesemAnsatz zugrunde lag, hatte selbst eine allein regulative Funktion in der Erkenntnis. Es wiirde nämlich im Widerspruch mit dem transzendentalen Ausgangspunkt stehen, wenn von der Idee angenommen wiirde, daft sie eine konstitutive Systemeinheit ausmache - damit mul^ten alle Annahmen iiber die innere Einheitlichkeit der Objektserkenntnis mit einem kritischen Vorbehalt versehen werden, einem „als ob“ von der Seite der Vernunft. Dennoch war es ausgehend von dieser angenommenen Voraussetzung, dafi Kant eine Methode zu finden suchte, um die bildenden Kräfte hinter der widerspruchsvollen Oberfläche blofizulegen: „Was man sich auch in metaphysischer Absicht fiir einen Begriff von der Freiheit des Widens machen mag: so sind doch die Erscheinungen desselben, die menschlichen Handlungen, ebensowohl als jede andere Naturbegebenheit nach allgemeinen Naturgesetzen bestimmt. Die Geschichte, welche sich mit der Erzählung dieser Erscheinungen beschäftigt, so tief auch deren Ursachen verborgen sein mögen, läBt dennoch von sich hoffen: dafi, wenn sie das Spiel der Freiheit des menschlichen Widens im groBen betrachtet, sie einen regelmafiigen Gang derselben entdecken könne; und dais auf die Art, was an einzelnen Subjekten verwickelt und regedos in die Augen fällt, an der ganzen Gattung doch als eine stetig fortgehende, obgleich langsame Entwicklung der urspriinglichen Anlagen derselben werde erkannt werden können. “ 138 Die Qualifikation des reinen Zufälligkeitscharakters der „bloften“ Geschichte, die Kant dabei durchzufiihren beabsichtigte, mufite dadurch geschehen, dafi die Vernunft aus der historischen Vielfalt einen Grund („Leitfaden“) fur das Vgl. Kant, aaO. S. 37: „Eine solche Rechtfertigung der Natur - oder besser der Vorsehung - ist kein unwichtiger Bewegungsgrund, einen besonderen Gesichtspunkt der Weltbetrachtung zu wahlen". 138 AaO. S. 23. Vgl. aaO. S. 38. Zwei verschiedene Bedeutungen des Begrittes „Geschichte“ kommen bier zum Ausdruck, zumTeil eine Art „qualifizierte“ Gescbicbtserkenntnis: „Da(s icb mit dieser Idee einer Weltgescbicbte, die gewissermafien einen Leitfaden a priori bat, die Bearbeitung der eigentlicben, blofi empiriscb abgefafiten Historie verdrangen wollte, ware MilSdeutung meiner Absicbt; es ist nur ein Gedanke von dem, was ein pbilosopbiscber Kopf (. . .) nocb aus einem anderen Standpunkte versucben konnte".

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=