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45 scher Qualität, die bis dahin verfochten wurde, stehenzubleiben. Das Entdekken eines möglichen Weges zu der inneren Einheit der Vernunft — deren Natur — durch deren sinnlichen Ausdruck, verlockte die menschliche Vernunft, sowohl die Natur als auch die Geschichte als fiir die Sinne offenbarte Vernunft aufzufassen.’^'* Das Ziel eines solchen methodologischen Ansatzes war es, daft die Vernunft hierdurch den Grund erwerben sollte, durch den sie in die Lage versetzt wurde „die Last der Geschichte . . . zu fassen“.'^^ Durch die Verkoppelung zwischen der idealen Einheit der Vernunft und deren realen Ausdruck, die die Bestimmung des Begriffes »Relation" durch die idealistische Erkenntnistheorie ermöglichte, war die Frage der Ausdrucksfreiheit der menschlichen Vernunft in der Geschichte aktualisiert worden. Die Einstellung zu demWert der historischen Erkenntnis fiir die wissenschaftliche Tätigkeit stellt einen erkenntnistheoretischen Priifstein fiir die Auffassung iiber die Freiheit des einzelnen Widens dar. Der individuelle Freiheitsbegriff, die Freiheit von seinem eigenen Charakter aus, eine eigene Welt zu gestalten, ist direkt mit der eventuellen Fähigkeit der Vernunft, den historischen Stoff zu beherrschen, verkntipft. Dieser Freiheitsbegriff ist notwendigerweise von einem anderen Typus als die Fähigkeit der theoretischen Bestimmungskraft der kritischen Vernunft, sich von äufieren Einfliissen freizumachen; er gibt sogar den Eindruck, dafi er dem Gedanken der Freiheit in wissenschaftlicher Notwendigkeit direkt entgegengesetzt sei; „Sache der Zeit ist die Wissenschaft nur, inwiefern sie durch das Individuum sich ausspricht. Diese Unabhängigkeit des Wesens der Wissenschaft von der Zeit driickt sich in demaus, dafi sie Sache der Gattungist, welche selbst ewig “136 ISt. Vor der bloB kritischen Vernunft erscheint die materielle Vielfalt der historischen Erkenntnis fremd und damit zufällig. Durch die Auflösung der Wesenseinheit in der philosophisch notwendigen Erkenntnis wurde freilich der Gegensatz zwischen Erkenntnissubjekt und Objekt, der die notwendige Einheit der Erkenntnis bedrohte, verborgen. Aber die Gesetze und Strukturen, die den Stoff materiell organisierten, mufiten folglich als vernunftsfremd aufgefafit werden. Die Vernunft ,,wagte“ von dem reflexionsphilosophischen Ståndpunkt aus gesehen - das soil sagen, sowohl ohne KompaB wie Leitstern - das unbekannte Gebiet, das die Objektserkenntnis darstellte, nicht zu betreten. Kant war, gedrängt zwischen die natiirliche Ambition der Vernunft, die allSiehc Kaulbach, Der Zusammenhang zwischen Natnrphilosophie und Geschichtsphilosophie bei Kant, S. 451. Kant, Immanuel, Die Weltbiirgerliche Absicht, S. 38. Sclielling, aaO. S. 224. Vgl. Kaulbach, Einfuhrung in die Metaphysik, S. 69 f. („Der Weg des Individuums als Geschichte").

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