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44 und Objekt aus. Schon die Formulierung dieser Gegensätzlichkeit stellte mitbin einen Schritt zur Vervollkommnung der Ausdrucksweise der Vernunft dar, der Voraussetzung fiir die Konstruktion eines absoluten Standpunktes.'^' Die kantianische Vernunftsbestimmung hatte die unerwartete Konsequenz, daft sie zur Wiederherstellung des verdrangten realen Elements der Erkenntnis beitrug. In der absoluten Vernunftsposition suchte die schellingsche Vernunft eine Relation zwischen dem ontologischen Grund der Erkenntnis - der idealen Seite der Vernunft - und dessen realen Ausdruck herzustellen. Damit wurde es offenbar, dafi nicht einmal die Philosophie, als Wissen von dem Absoluten, von allein reflexiver Vernunftserkenntnis gebildet werden konnte. Demidealen Streben der Vernunft, Einheit im Stoff zu schaffen, entsprach vielmehr ein ebenso gro£es Streben bei diesem Subjekt, einen sinnlichen Ausdruck in der realen Vielfalt zu finden (das „Objektivwerden“ der Vernunft). Nur durch eine solche Dialektik zwischen den produktiven und den reproduktiven Fähigkeiten der Vernunft, war es möglich, wirklich absolutes Wissen zu schaffen. Mit der schellingschen Vernunftsposition wurde die absolute Grenze zwischen apriorischer und aposteriorischer Erkenntnis iiberschritten; eine derartige Abgrenzung wurde nämlich von demVerhältnis — der Relation zwischen Grund und Ausdruck —, das zwischen diesen verschiedenen erkenntnistheoretischen Elementen herrschte, ausgeschlossen.'^’ Schelling wies in seinen Vorlesungen iiber die akademische Methode auf die herkömmliche Aufteilung der Erkenntnis in teils philosophische, teils historische Erkenntnisarten hin: „Die gewöhnliche Eintheilung der Erkenntnifi in die rationale und historische wind so bestimmt, dafi jene mit der ErkenntniE der Griinde verbunden, diese eine blofie Wissenschaft des Faktum sey. Man konnte einwenden, dal^ ja auch die Griinde wieder blofi historisch gewufit werden können; allein dann wiirden sie eben nicht als Griinde aufgefafit. Weder der wesensmetaphysische noch der reflexionsphilosophische Standpunkt hatte den Gegensatz, der zwischen Grund und Faktum herrschte, zu iiberbrucken vermocht. Von der schulphilosophischen Grundannahme aus gesehen, fehlte es an einer eigentlichen Vermittlung zwischen dem Wesen und dessen Ausdruck in der Erkenntnis. Die Hegemonie der kantianischen Vernunft setzte sogar voraus, daft die Gegensätzlichkeit zwischen philosophischer Form und historischemMaterial wirklich unlösbar war. Die Vernunft hatte durch die Suche nach Erkenntnis fiber ihr eigenes objektives Wesen gezeigt, dal? die Erfahrungserkenntnis dahingehend bearbeitet werden konnte, dal^ sie die ideale Einheit der Vernunft ausdriickte. Danach war es unmöglich, bei dem Gegensatz zwischen historischer und philosophiSchelling, aaO S. 274: „Der Idealismus der Wissenschaftslehre hat nachher diese Richtung der Philosophie vollendet”. Siehe Kaulbach, aaO. S. 365 f. Schelling, aaO. S. 242. « 133

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