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40 rende Kraft, die aus dem „Charakter der Absolutheit“ ausströmt, und die, sowohl materiell wie formell, Einheit in allem Wissen schafft. Hierdurch bekam die wissenschaftliche Tätigkeit einen deutlichen dynamischen Zug; derjenige, der sich nicht, wie die reflexionsphilosophische Vernunft, mit dem Zusammenfiigen von Teilen zu einer Summe zufriedengibt, sondern aktiv eine Ganzheit in der Erkenntnis zu schaffen sucht, findet, dafi sowohl Subjekt wie Objekt ständigen Veränderungen während des Verlaufs des Erkenntnisaktes unterworfen sind. Nach Schelling ist deswegen nur derjenige, „der seine Wissenschaft selbst nicht aus eigner Construktion besitzt“, in der Lage die Natur der Wissenschaft auf andere Weise zu erfassen und „sie nicht als ein Gegebenes, sondern als ein zu Erfindendes darzustellen . . Aus diesem Blickwinkel muBte das zu jener Zeit allgemein verbreitete Mil$- trauen gegeniiber der Philosophie, in deren damaligen Zustand,’’^ fast berechtigt erscheinen. Fiir die kantianisch konzipierte Metaphysik war nämlich die selbstgewählte Isolation als eine Tugend anzusehen, denn dadurch entzog sich die philosophische Erkenntnis jeder Koppelung an Zeit- und Raumkategorien. Kants Lob iiber die Logik —vor allempries Kant den Charakter der Endgiiltigkeit, den die wissenschaftliche Form der Disziplin erreicht hatte - fand Schelling ganz folgerichtig iibertrieben. Stattdessen driickte Schelling Verständnis fiir die Auflockerung der Grenzen der Logik, vor der Kant gewarnt hatte, aus; es war natiirlich, dal? die Wissenschaftler, um dem entgegenzuwirnannte, Beiträge von anderen Erkenntnisarten in das eigene Gebiet einzufiihren suchten. Eine solche Ausdehnung des Erkenntnisbereiches war notwendig, um die Vollenken, was Schelling die „naturliche Trockenheit der Logik « 124 AaO. S. 281. AaO. S. 234. Vor allem durch die histori.stische Kritik an dem „philosophischen“ Jahrhundert, siehe Nipperdey, Thomas: Deutsche Geschichte, 1800—1866, S. 498 ff. Hinsichtlich der historischen Schule und Savignys Philosophie-Kritik, siehe z.B. Schröder, Horst, Uher die Stellurig und die Auffassung C. Fr. von Savigny zum Wesen und zu den Aufgaben der Universitäten seiner Zeit, S. 248 - siehe hierzu ausfiihrlicher unten S. 128 ff. Vgl. auch die Kritik der historischen Schule an der philosophischen Abstraktion mit der Kritik der französischen Enzyklopädisten an der „scholastischen“ Philosophic, z.B. bei d’Alembert, Jean le Rond, Einleitung in diefranzösische Enzyklopädie von 1751, S. 71 ff., vgl. d’Alemberts Elements de Philosophie, zit. nach Eugen Hirschbergs Erläuterungen, aaO. S. 15 f.: „Die Philosophie hat nicht ihre Bestimmung sich in den allgemeinen Problemen des Seins und der Substanz zu verlieren, noch in den nutzlosen Erörterung iiber abstrakte Begriffc oder in willkiihrlichen Einteilungen und beständigen Wortbildungen, sie die Wissenschaft von den Tatsachen oder aber von Hirngespinsten“. Siehe dazu auch Schalk, Fritz, Einleitung in die Encyklopadie der fransösischen Aufklärung, insbes. S. 112: d’Alembert entwickeltc „immer wieder die gleiche, anti-cartesianische, antimetaphvsische These". Schelling, aaO. S. 270: „Solch ein grofier Mifigriff, als es Kant vorgestellt hat, 1st cs nach diesem nicht, dal? man der natiirlichen Trockenheit der Logik durch anthropologische und psychologische Vorkenntnisse abzuhelfen gewubt hat . . .“.

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