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36 Alle Objekterkenntnis war durch die kopernikanische Wende in der Philosophie zu zufälliger, empirischer Erkenntnis iiber einfache Kausalrelationen reduziert worden. Dies bedeutete zumBeispiel hinsichtlich der Rechtswissenschaft, daft sich deren Gebiet inhaltlich auf die Erkenntnis iiber die äufieren, mechanischen Gesetze imStaat beschränkte. In demMafie wie die Rechtslehre höhere Ambitionen als ein reines Referieren von Gesetzestext umfassen sollte, schlofi dies, nach Kant, in sich ein, da£ die Bearbeitung des Stoffes nach dessen „Nutzen“ als Mittel fiir die Förderung von verschiedenen willkiirlichen und zufälligen Zwecksetzungen erfolgen mufite. Die Rechtswissenschaft muBte also als eine Brotwissenschaft begriffen werden. Es war deswegen fiir Schelling offenbar, dafi die von Kant vermeintlich befreite Metaphysik ihre Rolle als Grundwissenschaft nicht zu erfiillen vermochte; es gelang der philosophischen Kritik an der spezialwissenschaftlichen Tätigkeit nicht, diesen Erkenntnisarten eine wissenschaftliche Form zu verleihen. Schelling kritisierte folglich in seinen Methodenvorlesungen „was in der bisherigen Behandlung des sogenannten Naturrechts allein beabsichtigt und geleistet worden ist“. Denn „fast am hartnäckigsten hat in diesem Theil der Philosophie sich das analytische Wesen und der Formalismus erhalten. Die ersten Begriffe wurden entweder aus dem römischen Recht oder von irgend einer eben gangbaren Form hergenommen, so da£ das Naturrecht nicht nur alle möglichen Triebe der menschlichen Natur, die ganze Psychologie, sondern auch alle erdenklichen Formeln nach und nach durchgewandert ist. Durch Analyse derselben wurde eine Reihe formaler Sätze gefunden, mit deren Hiilfe man nachher in der positivenJurisprudenz aufzuräumen hoffte“.*" Die philosophische Konstruktion wurde von den kantianischen Juristen, in Ermangelung einer wahren Verbindung zwischen der Wissenschaft an sich und der positiven Rechtslehre, nur angewandt, um der philosophischen Rechtslehre - dem sogenannten Naturrecht - einen äufieren Schein von Notwendigkeit zu verleihen. „Besonders haben KantischeJuristen diese Philosophic als Magd ihrer Scienz zu brauchen fleifiig angefangen und zu diesem Behuf auch richtig immer das Naturrecht reformiert. Diese Art des Philosophierens äufiert sich als ein Schnappen nach Begriffen, gleich viel welcher Art sie sind, nur dafi sie eine Einzelheit seyen, damit der, welcher sie angefangen, durch die Miihe, die er sich gibt, die iibrige Masse nach ihr zu verziehen, sich das Ansehen eines eignen Systems geben könne, das aber dann in kurzer Zeit wieder durch ein anderes eignes verdrängt wird u.s.w.“ Das Naturrecht verfiel, in Ermangelung eines wissenschaftlichen Grundes, stufenweise zu einer nur vermeintlich notwendigen Systematik, in der die philosophische Struktur mit disparaten römischen Rechtsätzen vermischt wurde. AaO. S. 315. AaO. S. 315 f.

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