20 war von rein wissenschaftlich-philosophischem Charakter, ein Ausdruck fiir die Absichten der freien Vernunft. Die Relation der Vernunft zur Natur der Dinge war natiirlich von anderer Art: „Gleichwohl wird, welches wohl gemerkt werden mufi, doch dabei immer vorbehalten, dass wir eben dieselben Gegenstände auch als Dinge an sich selbst, wenn gleich nicht erkennen, doch wenigstens denken können. Denn sonst wiirde der ungereimte Satz daraus folgen, dass Erscheinung ohne etwas ware, was da erscheint." Die Wissenschaft an sich stellte, nach Kant, nur eine abstrakte Systematik dar. Die Vernunft wurde getrieben diese philosophisch notwendige, aber inhaltslose Formmit materiellen Bestimmungen auszufiillen, die von der urspriinglichen Annahme der freien Vernunft her in einer unerfafibaren Einheit gegriindet waren - demWesen der Dinge. Die Voraussetzung fiir objektive Erkenntnis wurde ja von der Fähigkeit der Vernunft, die sinnlichen Erscheinungen der Dinge zu transzendieren ausgemacht, etwas, das wie Kant erklärte, undurchfiihrbar war. Stattdessen, meinte Kant, muBte die kritische Vernunft ihre Position verändern und sich eine Verbindung zwischen dem Stoff und einer dahinterliegenden apriorischen Einheit vorstellen können. Dieser materielle Ståndpunkt, durch den die Relation der Vernunft zu dem Stoff ihrerseits den einzigen möglichen Weg zu objektiver Erkenntnis ausmachen konnte, fiihrte jedoch ebensowenig zu freier, philosophisch notwendiger Objekterkenntnis. Die kantianische Vernunft konnte nur eine prinzipielle Relation zwischen dem Gegenstand und dem Stoff, als realem Ausdruck des Wesens, annehmen. Die Vernunft konnte vom reflexionsphilosophischen Ståndpunkt aus höchstens eine objektive Einheit hinter der undurchdringlichen Fiille des Stoffes annehmen, aber wegen der uniiberwindbaren Kluft zwischen Subjekt und Objekt vermochte sie keinen Grund fiir die wissenschaftliche Bearbeitung der Dinge und damit fiir die auf Erfahrung gegriindeten Wissenschaftszweige zu konstruieren. Es war das Paradox eingetroffen, dafi die theoretischen Voraussetzungen fiir die kopernikanische Wende in der Philosophie die einzig mögliche Vermittlung'^^ zwischen der Vernunfts- und Natureinheit abschnitten, und es dadurch den objektbestimmten Erkenntnisarten unmöglich machten, wissenschaftliche Formund Freiheit von äufieren Zwecken zu erreichen. Kants empirische Hypothese, dal? das Objekt seinen sinnlichen Ausdruck in der Fiille des Stoffes bekam, driickte sich vor allem in dem Versuch aus, eine freie Vernunftsabsicht zu konstruieren - „die Weltbiirgerliche Absicht“ - in ■** AaO. S. 27f. Denn diese Vermittlung konnte, von dem Vernunftsstandpunkt der „kopernikanischen“ Wende aus gesehen, nur durch den sinnlichen Charakter der aposteriorischen - positiven — Erkenntnis geschehen. Eine Umwertung des „Erscheinungsbegriffs“ bildete somit die Voraussetzung fiir eine solche Entwicklung, siehe Kaulbach, Philosophie der Beschreibung, S. 364 ff.
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