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16 Zwecksetzungen aus der Erkenntnis ausgemerzt. DieVernunft hatte die Macht an sich gebracht, urn die objektive Wesenseinheit aufzulösen und sie mit den subjektiven Voraussetzungen fiir ihr Erfahren der Dinge zu ersetzen. Auf diese Weise wurde die objektive Einheit der Dinge in einen unbestimmten Stoff verwandelt, einemwiderstandslosen Material fiir die systematisierende Kraft hinter den Denkkategorien. Durch die Vernunftskritik wurde eine Erkenntnisrelation zwischen zwei verschiedenen erkenntnistheoretischen Qualitäten konstruiert: der apriorischen Kraft der Vernunft und dem erkenntnistheoretisch indifferenten Stoff. Die Gegensätzlichkeit zwischen Subjekt und Objekt gelangte auf diese Weise aufierhalb des Bereichs der wissenschaftlichen Argumentation. Dies bedeutete, daB die philosophisch notwendige Erkenntnis darauf begrenzt wurde, ein rein reflexives Vernunftswissen, im Gegensatz zur Erfahrungserkenntnis, zu umfassen: „nämlich dafi wir mit ihmnie iiber die Grenze möglicher Erfahrung hinauskommen können, welches doch gerade die wesentlichste Angelegenheit dieser Wissenschaft ist. Aber hierin liegt eben das Experiment einer Gegenprobe der Wahrheit des Resultats jener ersten Wiirdigung unserer Vernunftserkenntniss a priori, dafi sie nämlich nur auf Erscheinungen gehe, die Sache an sich selbst dagegen zwar als fiir sich wirklich, aber von uns unerkannt liegen lasse. Denn das, was uns nothwendig iiber die Grenze der Erfahrung und aller Erscheinungen hinaus zu gehen treibt, ist das Unbedingte, welches die Vernunft in den Dingen an sich selbst nothwendig und mit allem Recht zu allem Bedingten, und dadurch die Reihe der Bedingungen als vollendet verlangt. Der Zweck der kantianischen Vernunft bildet einen exklusiven Ausgangspunkt fiir die Bestimmung der wissenschaftlichen Einheit. Das aktive Element der Erkenntnis - das Subjekt - systematisiert den passiven Stoff nach seinen eigenen, subjektiven Denkkategorien. Dadurch entsteht eine wissenschaftliche Einheit, „die einen wahren Gliederbau enthält, worin alles Organ ist, nämlich alles um Eines willen und ein jedes Einzelne um kenntnisakt ist demnach aus dem Blickwinkel der transzendentalphilosophischen Vernunft allein produktiv von seiner Natur. Jeder materielle Einschlag, der eine reproduktive Fähigkeit bei dem Subjekt voraussetzen wiirde, mulste “ 35 aller willen . . Der ErAaO. S. 23. Vgl. S. 26 hinsichtlich des Anspruchs . . uns nämlich mit der speculativen Vernunft niemals iiber die Erfahrungsgrenze hinaus zu wagen . . sowie S. 27 . . von keinem Gegenstande als Dinge an sich selbst, sondern nur, sofern er Object der sinnhchen Anschauung ist d.i. als Erscheinung, Erkenntniss haben können“. Schelling stellte lest, dab diese Begrenzung die Freiheit der Vernunft beriihrte: „Was Objekt fiir mich ist, kann nur erscheinen; sobald es mehr als Erscheinung fur mich ist, ist meine Ereiheit vernichtet", zit. nach Kaulbach, Philosophic als Wisscrischaft, S. 29. Kant, aaO. S. 35 (Das Zitat lautet vollstandig wie folgt: ..theils die Beschaffenheit der Sache selbst, nämlich der Natur einer reinen speculativen Vernunft, beizumessen ist, die einen wahren Gliederbau enthält, worin alles Organ ist, nämlich alles um Eines willen und ein jedes Einzelne um aller willen . .

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