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11 Erkenntnis sei direkt in der apriorischen Bestimmung des Gegenstand begriindet, oder man bewertete eine spezifische Struktur des Nutzens, den er fiir die eine oder andere wechselnde Zielsetzung haben könne. Es war, zum Beispiel, möglich, den Begriff System teils als ein direktes Abbild der inneren Ordnung der Dinge, teils als eine Zusammenstellung von Erkenntnis iiber einzelne Dinge - eine Summe fiir die Förderung eines bestimmten didaktischen Zweckes — zu deuten. Nur in der erstgenannten, direkt objektsbezogenen Bedeutung, hielt man die Struktur fiir ontologisch begriindet; die Strukturen, die aus der eigenen Produktivität der Vernunft herriihrten, wurden von dem vordersten Kennzeichen des Erkenntnissubjektes geprägt: empirischer Zufälligkeit und subjektivem Gutdiinken. Die Formder Erkenntnis wurde iiberhaupt immer auf einen Grund gestiitzt, entweder ganz in der Struktur, die die innere Einheit der Objektswelt ausmachte - und damit ergab sich sofort die Frage, wie es die Vernunft vermochte, die Begrenzungen der sinnlichen Scheinwelt zu iiberschreiten und einen aufierhalb liegenden Grund zu erwerben — oder die Formbekam ihren Grund in der mangelhaftenen Reproduktivität des Subjekts und muEte dadurch als mehr oder minder zufällig und von wechselnden Interessen gesteuert erscheinen. Das unaufhörliche Streben des Erkenntnissubjektes Einblick in die Objektwelt zu gewinnen, mufi im Lichte des wesensmetaphysischen Ausgangspunktes fiir die schulphilosophische Spekulation gesehen werden. Da es der Vernunft an sich an einer ontologischen Grundlage mangelte, konnte die Apriorität der Erkenntnis nur in der Fähigkeit der Vernunft griinden, einen äufieren Grund zu erwerben, nämlich die philosophisch notwendige Natur der Sache.^^ Dafi ein im Grunde unbestimmtes Subjekt die eigentliche Kraft darstellen sollte, um die empirischen Grenzen der Erkenntnis zu iiberschreiten, war fiir Kant ein unbilliger Anspruch an die menschliche Vernunft. Die schwache Position der Vernunft hatte einen Wissenschaftsbegriff zur Folge, der in sich nicht philosophisch bestimmt war; mit in sich widerspriichlichen Zwecksetzungen als methodologischen Ausgangspunkt, wurden ständig neue Regelwidrigkeiten hervorgebracht, die die wissenschaftliche Tätigkeit lähmten. Umdiese wiederholten drohenden Gefahren gegen die Einheit der Erkenntnis zu beseitigen, war es nach Kants Auffassung notwendig, den ontologischen Grund der Erkenntnis in einem von der Vernunft eigenen Bestimmung - der Persönlichkeit - willensbestimmten Akt zu konstruieren.^^ Die Reflexion, als das bewul^te Sein der Vernunft, mufite im Verhältnis zum reinen Sein der Dinge so aufgefalst werden, dafi sie eine selbständige Bestimmung innehat, und diese Bestimmung, des Denkens erste Voraussetzungen, mufi den philosophisch notwendigen einzigen Grund der Erkenntnis ausmachen. Die Vernunft Zur Bezeichnung „Natur der Sache“ als einen Ausdruck tur den wesensmetaphysischen Zug in der Erkenntnistheorie, siehc Kaulbach, aaO. S. 90 ff., vgl. S. 202. ZumVerhältnis zwischen „Natur“ und den historischen Persönlichkeiten s. unten, S. 20 f.

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