242 Wenn die Bestimmung der Eigenart der Rechtsgeschichte durch die Vertreter der Historischen Schule mit einer gewissen Miihe dazu erweitert wurde, das methodologische Element der Rechtslehre iiberhaupt aufzufassen, so stellt Nordlings Versuch, das Verhältnis der juristischen Enzyklopädie zumpositiven Recht zu definieren einen Parallellfall dar. Den wirklichen theoretischen Ansatz, den Nordling wiederholte Male beschrieb, die organische Systematik, die sich in der Dialektik zwischen den philosophischen und historischen Kenntnisarten griindet, konnte in seiner Gesamtheit weder zur einen noch zur anderen Disziplin gerechnet werden. Es verblieb das wissenschaftliche Element in der positiven Rechtslehre. Deshalb erscheint es schwer, wenn nicht unmöglich, die Bedeutung der juristischen Enzyklopädie fiir das Rechtsstudiumvon der Beschreibung, die Nordling von der rechtsgeschichtlichen Rolle gab, zu trennen. Nordlings Auslegung der Natur der juristischen Enzyklopädie ist sehr bezeichnend und verdient in extenso zitiert zu werden: „Die juristische Enzyklopädie hat zur Aufgabe, das Verhältnis des Rechts zu sonstigen Zwecken, die von menschlichen Wesen vollfiihrt werden, aufzuzeigen, innerhalb des Rechis die höchsten Prinzipien vorzulegen, auf denen die speziellen Bestimmungen ruhen, das Recht in seine verschiedenen Hauptzweige aufzuteilen und sorgfältig die Grenzen dazwischen festzustellen, sowie schliefilich die tatsächlichen Verhältnisse und Daten mitzuteilen, die das Rechtsstudium im Allgemeinen voraussetzt. Ihr Wert fiir dieses Studium in jeder nun genannten Hinsicht ist unverkennbar. In letztgenannter Hinsicht ist dieser Wert ohne weitere Erläuterung deutlich. Imiibrigen ist es nicht so offensichtlich, aber in Wirklichkeit von weit gröEerer Bedeutung. Durch die juristische Enzyklopädie erhält man beim ersten Einstieg in das juristisch-wissenschaftliche Gebiet Einsicht iiber den Platz, den diese auf dem Feld der menschlichen Kultur in seiner Ganzheit innehat, man erhält, was das juristische Gebiet insbesondere betrifft, die notige Ubersicht iiber dessen einzelne Teile, die gegen das Verirren innerhalb der Masse von Spezialitäten sichert, die bei diesem Studium, mehr als sonst, sich auf ihren Ausiiber drängt. Die Enzyklopädie gibt auch dem studierenden Juristen gröfiere Freiheit in der Wahl eines bestimmten oder bestimmter Lehrgebiete, denen man sich widmen möchte, gleichzeitig gibt sie ihm Gelegenheit, imvoraus seine Anlage im Verhalten zu jeder einzelnen von diesen zu priifen. Aber sie trennt nicht nur, sondern verbindet auch. Sie vereint nicht allein die verschiedenen Zweige des Rechts miteinander, sondern auch die verschiedenen Vorschriften in jeder von ihnen, durch Bänder, die sie nicht nur auf eine äufiere Weise zusammenhalten, sondern läfit sie in einen inneren notwendigen Zusammenhang miteinander treten. Sie zeigt die juristische Wissenschaft als ein systematisches Ganzes, in dem es eine Einheit gibt, die auch durch seine speziellsten Teile geht. Sie zeigt auch, auf welche Weise diese in einer gewissen Reihenfolge durch das gemeinsame Prinzip miteinander und imGanzen verbunden smd. Sie verhindert dadurch das Aufkommen von Auswiichsen in der Rechtsauffassung, die sich sonst als Folge einer einseitigen Uberschätzung von untergeordneten Rechtssätzen bilden können, sie hilft die Liicken, die es im positiven Recht moglicherDie Akzentuierung des philosophischen Elementes durch diese Kritik am Programmder Historischen Schule bedeutete gleichzeitig eine Betonung der produktiven Seite der Rechtswissenschaft - eine Voraussetzung fiir die Rolle der juristischen Doktrin als doktrinärer Gesetzgeber".
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