190 Die Disziplin, deren Tätigkeit direkt darauf eingerichtet war, das praktische Handeln in der Umwelt zu bestimmen, wurde durch die kantianische Vemunftsauffassung aufierhalb der Kontrolle der wissenschaftlichen Argumentationsbasis gelassen. Die spezialwissenschaftliche Anwendung — Berufstätigkeit — mufite dadurch willkiirlich oder nach zufälligen äulSeren Zwecken geschehen. Audi die spezialwissenschaftlichen oder höheren^^ Fakultäten wurden in reine Berufsschulen umgewandelt, da deren Tätigkeit und reale Gestaltung die äufieren Forderungen auf Utilität, die das zukiinftige Berufsleben an die Studenten stellte, fördern mufite. Der Student mufite bereits beim Eintritt ins Universitätsleben wählen, inwieweit er seine charakteristische einheitschaffende Kraft bilden und dadurch ein wahrhaftiger Wissenschaftler werden will, oder bei den höheren Fakultäten den Stoff einholen, der fur einen bestimmten Beruf gefordert wird, und durch dieses geistunterdriickende Studium alle wissenschaftlichen Bestrebungen aufgeben. Die vermeintlich freie philosophische Fakultät, die auf der isolierten kantianischen Theoriekonzeption gegriindet worden war, befand sich von allem praktischen Handeln abgeschnitten, denn, wenn man annimmt, dal5 „von den Fakultäten der Universität nur eine wissenschaftlich und allgemein ist, die iibrigen blofi praktisch und speziell“, so folgt daraus, dafi alles, ,,was innerhalb der letzteren sich zu rein theoretischer Bedeutung zu entwickeln vermag, mul^ davon zu den Friiheren iiberfiihrt werden".Wenn die Universität einzig und allein den allgemeinen Zweck oder das allgemeine Interesse der Wissenschaft realisieren sollte, konnte sie folglich nur aus einer Fakultät, nämlich der Philosophischen, bestehen. Die drei spezialwissenschaftlichen Fakultäten mufiten in diesem Fall in freistehende Berufs- oder Fachschulen umgewandelt, von dem Universitätsorganismus getrennt und dadurch alien wissenschaftlichen Scheins beraubt werden: „Dafi ein solches System, sobald es vollstandig wirksam wird, das eigentliche Prinzip der Fakultätseinrichtung angreift oder vielmehr voll und ganz aufhebt, diirfte ziemlich deutlich sein.“‘^ In dem Mafie, wie die Fakultätseinrichtung nicht aufgehoben wurde, sollte die Universität nämlich nicht länger ihrer Idee entsprechen und ,,in eine ZusamAaO. S. 205. ’■* AaO. ibidem: ,,af universitetets faculteter endast en är vetenskaplig och allmän, de öfriga blott practiska och speciella" und ,,som inom de sednare förmår utveckla sig till rent theoretisk betvdelse, bör ifrån dem till den förra öfverflyttas". AaO. ibidem: ,,Att ett sådant system, så snart det fullständigt verkställes, angriper eller rättare helt och hållet upphäfver facultetsinrättningens egentliga princip, torde vara temligen tvdligt". Hwassers Kritik gegen das Gutachten des sogenanntcn Erziehungskomitées galt gerade der Frage des Verhaltens der Fakultätseinteilung zu dem wissenschaftlichen Finheitsprinzip, vgl. den Unterschied zwischen Schellings Fakultätsorganisation und den Ansichten Schleiermachers und Steffens, siehe unten S. 266, Fn. 165.
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