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180 Die einheitschaffende Kraft der Rechtswissenschaft konnte nur in der konkreten Rechtsausiibung durch rechtswissenschaftlich gebildeteJuristen ausgefuhrt werden. Die Bildung wirklicher Rechtsgelehrter, mit selbständigen rechtswissenschaftlichen Ansichten, setzte voraus, daft der individuellen menschlichen Vernunft erlaubt wurde, ihren eigenen besonderen Ståndpunkt zu schaffen, ohne damit notwendigerweise die allgemeine wissenschaftliche Einheit zu vergewaltigen. Jeder Student mufite folglich die gleiche Entwicklung zur Erfiillung seines eigenen Zweckes durchmachen, die die allgemeine wissenschaftliche Vernunft in der Geschichte der Philosophie durchgemacht hat; nach dem dogmatischen, schulmäfiig geprägten Stadium in der Entwicklung der individuellen Vernunft, folgte im besten Fall eine kritische Wende, durch die die Vernunft zumersten Mai selbständig in der Lage war, die Giiltigkeit ihres Materials zu priifen. Nachdem die Vernunft dieses Entwicklungsstadiumpassiert hatte, war sie hinlanglich reif, die absolute Vernunftsposition zu finden, den Ståndpunkt, der es der Vernunft möglich macht, eine dialektische Verbindung zwischen den subjektiven und objektiven Bestimmungen zu konzipieren, die ihren Ausdruck in der freien wissenschaftlichen Tägigkeit in einer Disziplin erhält. In einer bescheidenen Ubereinstimmung zu Savignys Untersuchung des Bedarfs einer einheitschaffenden Rechtswissenschaft in Vom Beruf, dem von Schlyter und H. S. Collin 1829, in Kritische Zeitschrift fur Rechtswissenschaft und Gesetzgebung des Auslandes publizierten Aufsatz, Kurze Ubersicht iiber den gegenwärtigen Zustand der Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in Schweden, versuchten beide Verfasser, die Verbindungen zwischen dem Zustand und Status der Rechtswissenschaft und die Gestaltung der juristischen Bildung darzustellen. Das juristische Studiuman den schwedischen Universitäten vermochte nach Ansicht der Verfasser, auf keine Weise Repräsentanten fiir eine freie rechtswissenschaftliche Behandlung des Rechts hervorzubringen, um, wie sie es ausdriickten, „Das juristische Studium, man mag die Literatur, oder den miindlichen Unterricht auf den Universitäten betrachten, ist bei uns in einem beklagenswerten Zustande . . Jeglicher wissenschaftliche Geist wurde in der Gesetzeskunde vermifit, und dieser Zustand hatte seinen äuf^ersten Grund imbetrublichen Zustand der Juristenausbildung. So lange sich die rechtswissenschaftliche Bildung einzig und den falska föreställningen, å ena sidan att det nu gällande rättssystemet måste ovilkorligen behandlas i sammanhang med laghistorien, och den senare med det förra; ä andra sidan, att någon själfståndig filosofisk åsigt af stat, statsförfattning och lagstiftning icke gifves, utan där den filosfiska åsigten skulle vara alldeles försänkt i den historiska betraktelsen, som att något annat begrepp om rått ej skulle gifvas än det, som råkat att en gång blifva lag, och någon annan lagföråndring ej borde ega rumån den, som genomsakernas inre tvång gjorde sig sjålf“. Kurze Ubersicht uber den gegenwärtigen Zustand der Gesetzgebung und Rechtswissenschaft in Schweden, S. 432.

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