RB 44

155 rechtswissenschaftlichen Ganzheit machte das Rechtsinstitut den vornehmsten Ausdruck fiir die innere Einheit der Rechtswissenschaft in der sachlichen Vielfait aus. In diesem Sinn war das Rechtsinstitut und die Rechtssätze nur Mittel fur die allgemeine rechtsschaffende Kraft der Rechtswissenschaft. Gleichzeitig muf^te das Rechtsinstitut jedoch eine Ganzheit in sich ausmachen, die disparate Rechtsregeln und Praxis in Ausdruck fiir die sachliche Einheit, die das Rechtsinstitut repräsentiert, verwandeln kann. Die individuelle Rechtsregel mufite organisiert werden, ,,im Geiste des Ganzen“ gesehen werden, im Verhalten zu der Ganzheit des Rechtsinstitut aufgefaf^t werden, urn iiberhaupt einen vernunftsgemäfien Inhalt bekommen zu können."^ Die organische Natur des rechtswissenschaftlichen Systems bekam bei Savigny ihren Ausdruck in den Bestimmungen von Systemkategorien, wie ,,Leben“, ,,Tod“, ,,Verwandtschaft“ oder ,,Fremde“, wovon Savigny fleiftig Gebrauch machte. Dies entschleiert, dafi das Rechtsinstitut, nach Savignys Auffassung, ein lebendiges, historisch-genetisches Wesen war, das in der Vielfalt von Zeit und Raum ein konstantes Ideal realisiert. Das organisierende Svstemelement — das Rechtsinstitut — zeigte folglich zwei deutlich verschiedene Offenbarungsformen auf. Teils wurde das Rechtsinstitut als ein Ausdruck fiir die Einheit aufgefafit, teils als eine Einheit in sich selbst. Sie können auf^erdem aus einem anderen Gesichtswinkel betrachtet werden: Die ideelle und die reelle Seite des Rechtsinstituts repräsentierte die verschiedenen ontologischen Pole in der wissenschaftlichen Dialektik. Die allgemeine Vernunftseinheit - das ,,Wahre“ - hatte ihren stärksten Ausdruck in der ideellen Form des Rechtsinstituts bekommen, während die reelle Seite der fiihrenden Grundsätze als zuerst objektgeprägt und als Ausdruck fiir die natiirliche Einheit der Rechtsverhältnisse aufgefafit wurde. Das Objekt Recht, so zeigt sich, hat in der savigny’schen Theoriekonzeption zwei unterschiedliche und doch parallelle Offenbarungsformen, eine ideelle und eine reelle Seite.Der reelle Ausdruck des Rechts wird aus dem VolksleSiehe Wilhelm, aaO. S. 48, was das Rechtsinstitut als ein systematischer „Typus“ imVerhältnis zu Rechtsregeln und Rechtsverhältnissen anbelangt. Das System des Rechts und das System der Rechtswissenschaft machen in dieser Hinsicht verschiedene Pole in ein und derselben höheren Einheit aus. Jan Schroder konstatiert, in aaO. S. 118 f., dafi Savigny schon inJunstische Mcthodenlchrc mit zwei verschiedenen Systemauffassungen laborierte. Allerdings dominierte das ,,System der Jurisprudenz“ — was, in Hinblick auf die Tatsache, dafi es sich um Methodenvorlesungen handelt, ziemlich natiirlich scheint-, aber auch der Gedanke an die eigene innere Systematik des Rechts bricht hervor m dem Text: ,,Allerdings mischt sich schon hier der unkantianische Gedanke einer Ubereinstimmung von Erkenntnis und Erkenntmsgegenstand hinein, wenn gefordert wird, dal? im System der ,innere Zusammenhang der Rechtss.itze selbst darzustellen ist", vgl. Wilhelm, aaO. S. 57 ff. Diese Zweiteilung kommt auch in dem Satz - „Eine Wissenschaft nach den eigenen Gesetzen ihrer Natur . . ., oder ein Ideal von ihr“ zum Ausdruck, denn der Begriff ,,Natur" kann schwerlich etw'as anders bedeuten, als die inneren, ,,stillwirkenden Kraftc", die die unbewulste Entwicklung des Objekts — des Rechts - beherrschen. Die stizusagen vor-rechtswissenschaftlichen Kräfte, die diese Naturgesetze ausmachten, werden

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=