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150 Die Entdeckung vom Vermögen der menschlichen Vernunft, Kenntnis sowohl zu produzieren als zu reproduzieren bedeutete, dafi es möglich wurde, auch die hochste Einheit und Zweck der Rechtswissenschaft wissenschaftlich zu bestimmen: . . so muE ihr [die Rechtswissenschaft, eigentlich die rechtswissenschaftliche Bearbeitung] innerer Zusammenhang eine Einheit produzieren. Zu einer solchen mufi es einen allgemeinen Inhalt, allgemeine Aufgabe fiir die Rechtswissenschaft, ja die ganze Gesetzgebung geben, der nichts Zufälligem unterworfen ist. »• « 102 Diese Bestimmung der ersten Basis des juristischen Wissens machte es auch möglich, die ganze wissenschaftliche Tätigkeit von anderen zweckgesteuerten Einheiten abzugrenzen - ja, es wurde dadurch direkt notwendig, das spezifisch rechtliche Element von jedem anderen Zweck zu trennen. Durch diesen Selektionsprozel? ist es möglich geworden, die Rechtswissenschaft als eine Fachwissenschaft mit wissenschaftlich und natiirlich bestimmter Struktur und Grenzen zu konstruieren, ein rechtswissenschaftliches Material, bearbeitet sowohl „im Geist des Ganzen", als auch nach seinemspeziellen rechtlichen Charakter. Der rechtswissenschaftlichen Vernunft war damit zum ersten Mai, von einem erkenntnistheoretischen Ståndpunkt ausgehend, die Möglichkeit gegeben, den Stoff frei zu behandeln, ihn auch materiell von äufieren, in der Vielfalt verborgenen Zweckeinheiten zu reinigen, und war durch eine spezifische rechtswissenschaftliche Methode in der Lage, die innere objektive Einheit hervorzulocken: „Ihr Bestreben geht vielmehr dahin, jeden gegebenen Stoff“ - durch eine angenommene materielle Vernunftseinheit — „bis zu seiner Wurzel zu verfolgen, und so ein organisches Prinzip zu entdecken, wodurch sich von selbst das, was noch Leben hat, von demjenigen absondern mufi, was schon abgestorben ist, und nur noch der Geschichte angehört". Es zeigt sich, daf? durch diese rechtswissenschaftliche Bearbeitung des Stoffes das lebendige, freie - „ungehindert durch fremde Gewalten ..." — wissenschaftliche Handeln der Vernunft nur im Verhältnis zu einem ebenfalls „freien“ Objekt realisiert werden kann. Die wissenschaftliche Bearbeitung mufite sowohl nach ,,den Forderungen der Wissenschaftlichkeit" geschehen und damit alle äufieren, unwissenschaftlichen Zwecke ausschliefien, als auch nach ,,rechtswissenschafthchen Forderungen“, die den Stoff nach Objektbestimmungen abgrenzten. Denn, wie Savigny dies ausdriickte, ,,Das, was in der Sache selbst getrennt ist, muft getrennt werden. Die freie Wissenschaft setzt ein philosophisch notwendiges Abgrenzungsund Strukturinstrument — die wissenschaftliche Methode — voraus. Auf die gleiche Weise setzt die Erfiillung von Savignys Bestreben nach einer freien 103 “ 104 102 Savigny, aaO. S. 16. VomBeruf, S. 72. Juristische Methodenlehre, S. 33, betreffend die ,,historische Trennung". 103

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