145 Die nähere Bestimmung des Begriffes „Geschichte“ bei Savigny, ist von grosser Bedeutung fiir das Verständnis der sogenannten strengen historischen Methode der Historischen Schule. Savignys Anwendung des Begriffes in Zusammenhang mit der historischen Methode, schliefit die Möglichkeit — zumindest in erster Linie - aus, es könne sich urn die Geschichte als eine Fachdisziplin handeln. Der Streit urn die Giiltigkeit der geschichtlichen Methode gait folglich nicht der Bedeutung der Geschichte als Hilfswissenschaft der Jurisprudenz.^* Das Entscheidende, gemäl^ Savigny, war statt dessen festzustellen, inwieweit die Rechtswissenschaft in sich notwendigerweise einen organisch-geschichtlichen Charakterh^v. „In der Jurisprudenz kann sehr vieles gar nicht ohne gewisse historische Vorkenntnisse verstanden werden; von dieser Benutzung der Geschichte, urn in der Jurisprudenz selbst etwas zu wissen, ist aber hier gar nicht die Rede, sondern wir untersuchen hier, inwiefern die Jurisprudenz einen historischen Charakter haben miisse. “ 89 *** Siehe Die Grundgcdankeri, S. 15 („Die Geschichte ist dann nicht mehr blofi Beispielsammlung, sondern der einzige Weg zur wahren Erkenntnis unseres eigenen Zustandes") und Juristische Methodenlehre, S. 34: ,,Sie leugnen nicht die Notwendigkeit des historischen Studiums, aber musse blofi Vorbereitung sein, es miisse eine ganz absolute Bearbeitung der Jurisprudenz geben, blofi nach den Gegenstanden, ohne alle Hinsicht auf historische Verschiedenheit des Stoffes.“ Vgl. Wilhelm, aaO. S. 18. juristischc Mcthodenlehre, S. 31 f. (meine Hervorhebung). Es herrschen verschiedene Meinungen iiber die Geschichtsaufassung Savignys zu der Zeit der Methodenvorlesungen. Jan Schroder behauptet, in aaO. S. 165, Fn. 156 (vgl. auch Wolf, aaO. S. 480), dafi die entwicklungsgeschichtliche Perspektive noch in den juristischen Methodenvorlesungen gänzlich fehlt und dafi der Wissenschaftsbegriff, der darin zum Ausdruck kommt, weitgehend mit dem Kantianischen iibereinstimmt. Trotz der Unklarheiten in dem Begriff „entwicklungsgeschichtlich“ - vgl. Wilhelm, aaO. S. 17 - ist es offenbar, daft mit Savignys Definition vomgeschichtlichen Charakter der Rechtswissenschaft, der blofi historische und unqualifizierte Stoff nicht beriicksichtigt worden ist. Das geschichtliche Element in der Erkenntnis entspricht demnach nicht demempirischen Wissen in Kritik der remen Vemunft. Wenn man aufierdem auch Savignys Definition der wissenschaftlichen Methode - die richtende geistige Kraft, die aus der Dialektik zwischen dem historischen und geschichtlichen Element des Wissens emaniert, siehe aaO. S. 1 - mit der Bestimmung der inneren Rechtsgeschichte, so wird klargemacht, dais die historische Qualitat schon in den Methodenvorlesungen eine Art ,,Objektivwerden“ ausmacht, siehe ferner unten S. 148 f., was den Charakter der inneren Rechtsgeschichte angeht, und, iiber die historische Bearbeitung, siehe S. 151. Die Frage, ob das geschichtliche Element sich auf die Rechtswissenschaft oder auf das Recht bezieht, siehe unten S. 155, Fn. 113. Möglicherweise kann man den Ansatz Kants in Die weltburgerliche Absicht als ein geisthcher Vorgänger fur die Histoneauffassung der Historischen Schule ansehen (mehr jedoch der organische Historizismus Herders), aber bei einemVergleich zeigt Savignys Geschichtsauffassung, schon in den Methodenvorlesungen, eine stärkere Betonung der Rolle der qualifizierten Geschichtserkenntnis, ein Weg zur Erkenntnis des philosophischen Elements in der Wissenschaft. In dieser Hinsicht, iibrigens gleich der grofite Teil der theoretischen Fragen, die in Juristiscbe Methodenlehre behandelt werden, ist Savignvs erkenntnistheoretischer Wohnsitz aulJer jeden Zweifel gestellt. Was die Methodenvorlesungen als Quelle angeht, siehe oben S. 120, Fn. 37.
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