142 schen Grund fiir eine freie Rechtswissenschaft, — ja, fiir freie Spezialwissenschaften iiberhaupt. Schellings Versuch, durch einen dialektischen Relationsbegriff eine systematische Einheit zwischen dem Allgemeinen und demBesonderen in der Wissenschaft zu schaffen, erhielt auf dem juristischen Feld einen entsprechenden Ausdruck durch Savignys Bestreben, die allgemeine Aufgabe der Wissenschaft - die Philosophie - mit dem besonderen Zweck der Rechtswissenschaft zu vereinen: „Die erste bedeutende Anderung machte Fichte, der nicht von einer Summe praktischer, a priori schon aufgefundener Sätze, sondern davon ausgeht, den Gesichtspunkt der Gesetzgebung, also der Jurisprudenz iiberhaupt philosophisch zu ergriinden. Nach Savignys Auffassung sollte der rechtswissenschaftliche Stoff einer lebendigen und wissenschaftlichen Bearbeitung unterzogen werden; das war, um das Besondere, teils in Zusammenhang mit und gesteuert von dem Allgemeinen, teils als eine selbständige Einheit und als Ausgangspunkt der Darstellung darzustellen, erforderlich. Dieses grundlegende Verhalten zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen besafi generelle Giiltigkeit auf alien Niveaus innerhalb der Einheit des wissenschaftlichen Systems. Die nach der kopernikanischen Wende selbstverständliche Forderung an die Wissenschaft, diese ,,im Geist des Ganzen“ zu betreiben, bedeutete deshalb nicht, dafi alle wissenschaftliche Darstellung sich nur auf das Allgemeinste an sich konzentrieren mufite - anzunehmen, dafi so der Fall ist, waren statt dessen die vornehmsten Charakteristika der kantianischen Juristen gewesen. Das Schaffen der absoluten Vernunft machte es vielmehr unumgänglich notwendig, die Grenze gegeniiber anderen Fachwissenschaften, auch gegen die Philosophie in dem Mafie, wie sie als eine Fachwissenschaft aufgefafit und betrieben wird, vollständig klar zu machen. Die freie Vernunft stellte folglich die Forderung an ihre spezialwissenschaftliche Tätigkeit, dal? sie fähig sein mul?te, den besonderen Geist jeder einzelnen Wissensart festzustellen. Der erste Philosoph, der nach Savignys Meinung einen derart besonderen und seiner Natur nach wenigstens teilweise unphilosophischen Standpunkt erreichte, und dem es damit fast gelang ein Gleichgewicht in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit zu erzielen, war Fichte: „Es mul? fiir das Naturrecht jedes Metaphysikers aul?er seinem metaphysischen Gesichtspunkt auch noch einen eigenthiimlichen geben, der von jenem unabhängig sein kann, freilich nicht zu Ehren der Metaphysik- und dieser eigentiimliche Gesichtspunkt ist es, an dem ich mich bei Fichte besonders erfreue, weil er gesund und lebendig ist. Savignys Skepsis gegenuber der fachphilosophischen Wirksamkeit und deren Möglichkeit, einen Grund fiir die wissenschaftliche Bearbeitung des jurisJuristische Methodenlehre, S. 49 (meine Hervorhebung). *■* Zit. nach Riickert, aaO. S. 248 (urspriinglich in Henke, E., F. J. Fries in seinemhandschriftlichen Nachlafle dargestellt, Leipzig 1867, Nr. l ^S. 294'i. « 83 “ 84
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