134 Von dieser vorausgesetzten und grundlegenden Einheit zwischen der Subjekt- und Objektwelt aus, wurde es also fiir die wissenschaftliche Vernunft niöglich, ihren Stoff ganz zu beherrschen. Diese hypothetische, sowohl materielle wie formelle Einheit des Wissens, stellte nämlich einen ersten Ausgangspunkt fiir die Selektion des Stoffes nach philosophisch notwendigen Griinden dar. Der Stoff, der nicht als in der Vernunft und in der Einheit der Sache gegriindet aufgefafit werden konnte, wurde unerbittlich entfernt. Nur die Vielfait, die den Charakter der wissenschaftlichen Einheit ausdriickte, war ein brauchbares Werkzeug fiir das freie Schaffen der Vernunft. Durch die wissenschaftliche Selektion wurde der Stoff sowohl von der methodologischen Indifferenz des reinen Stoffes — der Unbestimmtheit der reinen Vielfalt — als auch von alien äufieren, unwissenschaftlichen Zwecken, die sich möglicherweise in dieser Vielfalt verborgen hielten,^* befreit. Der Stoff war durch die wissenschaftliche Methode mit einer bestimmten, philosophisch notwendigen Form, die die Freiheit der wissenschaftlichen Tätigkeit von Niitzlichkeitsargumenten - d.h. von den äufieren Zielen - garantierte, versehen worden. Der derartig strukturierte und abgegrenzte Stoff leitete jedoch weiterhin seine Formvon einer einfachen Annahme ah; die reflexionsphilosophische Vernunft kannte noch keinen Wissensweg zu der inneren Einheit der Objektwelt - zumWesen der Sache. Durch die materielle Systematisierung des Stoffes durch die Vernunft, da nur der Stoff als Ausdruck einer inneren, absoluten Einheit imWissen ubrigbleibt, enthiillte der vielfältige Stoff eine eigene Einheit. In dem stofflichen Ausdruck trat eine objektiv bestimmte Einheit herv'or, die in sich einen weiteren Grund fiir die selektive Behandlung des Stoffes, das bedeutet ein Grund, der ,,sich von selbst" aus^^ die Vernunft mit einem qualifizierteren Grund fiir die Bearbeitung des Stoffes versieht. Der wissenschaftlich systematisierte Stoff machte es möglich - auch fiir eine emanzipierte Vernunft - die äuBere, stofflich geprägte Seite der Sache zu iiberschreiten und statt dessen von diesem Ausdruck ausgehend, zumInneren der Sache, ihrer Existenz oder ihremWesen, zu schliel^en.^"* Da der Stoff zu einem Ausdruck fiir eine philosophisch notwendige Einheit verwandelt wurde, hatte er auch die wissenschaftstheoretische Qualitat gewechselt. Durch den Erkenntnisprozefi, den die freie Vernunft in Gang setzte, wurde es der Vernunft klar, dafi der Stoff nicht indifferent ist, sondern eine inAaO. S. 72. Dieser Selektionsprozefi mufi seinen Ausgangspunkt in einer sachlichen Einheit haben; „ein organisches Princip zu entdecken, wodurch sich von selbst das, was noch Leben hat, von demjenigen absondern mufi, was schon abgestorben ist . . Vgl. aaO. S. 1: „Die Sache trägt doch wieder ihren Zweck und ihre Bestimmung in sich selbst". AaO. S. 13 f. Man beachte die Wortwahl „diese herauszufiihlen . . .“. Dies deutet an, dafi der Augangspunkt hypothetisch und mit der aktiven Rolle der Vernunft verbunden ist; vgl. S. 72. Dies bedeutet jedoch nicht eine Riickkehr in die Vernunftsposition der Wesensmetaphysik, sondern eine wahre Vereinigung zwischen den zwei Polcn des Vi'issens, dem erkenntnisteoretischen Subjekt und Objekt.
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