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131 Willkurlichkeit der Stoffwelt dargestellt werden. Nur dadurch wäre die philosophische Wirksamkeit in der Lage, ihre Bestimmung, die Grundwissenschaft aller Wissenschaftlichkeit zu sein, zu erfiillen und alien Zweigen der Wissenschaft einen festen Grund zu geben. Der Zweck war die ungliickliche Aufteilung des grofien Systems der Wissenschaft in einen isolierten Theorieteil — die Philosophie - und eine von theoretischen Erwägungen befreite praktische Tätigkeit zu iiberbriicken. Eine auf jeder Systemstufe und in alien Teilen durchdringende und vorherrschende Methode sollte auch die positive Rechtslehre der Rechtswissenschaft verwandeln. Die wissenschaftliche Methode konnte nicht primär im Wesen der Sache begriindet sein, statt dessen war es notwendig, die absolute Einheit des Wissens in der inneren Struktur des Denkens zu finden - ein Zusammenhang, der notwendigerweise auf alien Stufen der Erkenntnis besteht. Mit der sachlichen Bestimmung des Gegenstandes kombiniert, sollte dies eine wissenschaftliche Methodik ergeben, die es vermochte, alle äuBeren Zwecke und Riicksichten aus demjuristischen Stoff zu entfernen. Es ist offensichtlich, daB dieser Vereinigungsgedanke eine andere Vernunftsauffassung als die Kantianische, die nur die bloB kritische Vernunftskonzeptionen reprasentierte, voraussetzt. Savignys explizierter Wunsch, ein ,,Reformator der Jurisprudenz" und ein Kant in der Rechtsgelehrsamkeit zu sein, stand in sich nicht im Gegensatz zur Kritik am kantianischen erkenntnistheoretischen EinfluB auf dieJurisprudenz, wie Savigny vorbrachte. Es war Kants ,,That der kopernikanischen Wende", die Savigny zu wiederholen suchte; durch die Kritik der reinen Vernunft hatte Kant der Metaphysik als akademische Disziplin eine wissenschaftliche Basis gegeben - Savigny wollte, auch auf dem Fundament der freien Vernunft, eine wissenschaftliche Form, eine durchgehende philosophische Einheit im juristischen Material erreichen. Dieser Wunsch beinhaltete jedoch, daB die implizite Kritik gegen Kant und vor allem gegen die Kantianer gerichtet wurde: die Rechtswissenschaft konnte nur einen unerschiitterlichen wissenschaftlichen Grund erwerben, in dem Mafte wie die Begrenzungen der kantianischen Vernunft und der kantianischen Metaphysik aufgelöst wurden. Nur dadurch sollte es möglich sein, die Rechtswissenschaft davon zu befreien, von äuBeren Zwecken getrieben zu werden und eine rechtswissenschaftliche Tätigkeit auszuiiben, die frei und in sich rechtsbildend war. Auf diese Weise sollte auch die Trennungslinie, die durch die kopernikanische Wende in der Philosophie durch das grofie wissenschaftliche System gezogen wurde, ausgewischt und die Aufteilung von Disziplinen in freie und unfreie Wissenschaften aufgehoben werden. Der kantianische Vernunftsstandpunkt besteht aus einer Vernunft, die von dem Gebiet, das von der inneren Einheit des Rechtes beherrscht wird, ,,erschreckt zuriickweicht". Die objektive Seite des Wissens stellte eine teleologische Einheit, ein Wesen, dar, das fiir die transzendentalphilosophische Vernunft als Zufälligkeit und Irrationalität auftritt. Das Wissensgebiet, das die Vernunft mit 10

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