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130 kenntnistheorien^^ - imfriiheren Standpunkt dominierte einseitig das Objekt, im späteren das Subjekt - war eine Ursache fiir das niedrige wissenschaftliche Niveau der rechtswissenschaftlichen Tätigkeit. Die grundsätzliche Unfreiheit der Vernunft, entweder in sich selbst oder durch Verbindung zu einem zufälligen Gegenstand, hatte ihren Ausdruck in einer leeren, trockenen und toten Reflexion gefunden. Isoliert von der objektbestimmten Welt war die Metaphysik die Möglichkeit zumFortschritt und zur Entwicklung beraubt worden und damit dazu reduziert, eine Hilfswissenschaft ohne materiellen Inhalt darzustellen. Gleichzeitig war dadurch die materielle Bearbeitung des Stoffes der Willkurlichkeit der äufieren Zielsetzung ausgeliefert, wobei die spezialwissenschaftliche Tätigkeit als in sich zufällig und dogmatisch aufgefafit werden mufite. Das einzig denkbare Hindernis gegen die Ausbreitung einer solchen philosophischen Einseitigkeit war die Annahme einer möglichen Beziehung zwischen Vernunftseinheiten- die allgemeine Bestimmung der Wissenschaft - und den objektiven Bestimmungen der historisch-stofflichen Disziplinen. Durch eine angenommene Identität zwischen Vernunft und Objekt sollte es möglich sein, den rechtlichen Stoff wissenschaftlich zu bearbeiten. Der Rechtswissenschaft sollte ein philosophischer Grund fiir die Bestimmung ihrer Eigenart, einen eigenen Gesichtspunkt oder Seite der Sache gegeben werden, um ,,den Gesichtspunkt der Gesetzgebung, also die Jurisprudenz iiberhaupt philosophisch zu ergrunden“.^* Aus diesem Zitat geht deutlich hervor, daft die wissenschaftliche Grundlage der Rechtswissenschaft, so Savigny, nicht aufterhalb in der Vorherrschaft des Wesens der Sache - nach „a priori schon aufgefundener Sätze“ -, sondern nur durch die Kombination der produktiven und reproduktiven Fähigkeit der freien Vernunft konstruiert werden konnte. Diese wahre rechtswissenschaftliche Bearbeitung des juristischen Materials, die Voraussetzung, daft der Stoff sich vollends von der Vernunft beherrschen läftt, muftte sowohl schaffend wie deskriptiv sein, denn diese Vernunftstätigkeiten, so zeigte es sich, setzten einander voraus. Eine rechtswissenschaftliche Tätigkeit in einer solchen philosophischen Identität zwischen Subjekt und Objekt begriindet, muftte also folglich gleichzeitig das Recht als ein selbständiges Objekt abbilden, und durch die besondere und einheitschaffende Kraft der wissenschaftlichen Vernunft, hervorbringen. Das angestrebte Ideal fiir die philosophische Bearbeitung muft von einer wahren, wissenschaftlich absoluten und freien Vernunft ohne Relation zu der Siehe aaO. S. 18 und S. 71. Vgl. Die Grundgedanken, S. 15. AaO. S. 49. Vgl., Zit. nach Riickert, aaO. S. 248, Fn. 467: „Es mufi fiir das Naturrecht )edes Metaphysikcrs auiier seinem metaphysischen Gesichtspunkt auch noch cinen Eigenthiimlichen geben, der von jenem unabhängig sein kann, freilich nicht zu Ehren der Methaphysik - und dieser eigenthiimliche Gesichtspunkt ist es, an demich mich bei Fichte erfreue, weil er gesund und lebendig ist.“ (urspriinglich nach Henke, E.: J.F. Eries in seinemhandschriftlichen Nachlasse dargestellt, Leipzig 1867).

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