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129 eine Hilfswissenschaft, ,,eine Dienerin“ fiir die zufälligen empirischen Wissenschaften, verstanden wurde. Dies stritt natiirlich direkt gegen den Zweck der kantianischen Vernunftskritik: der theoretischen Emanzipation der Vernunft. In der Praxis bedeutete das nämlich, dafi die Philosophie, ebenso wie dieJurisprudenz, sich von den im Stoff verborgenen äufieren Zielen treiben liefi und, dafi auch die Philosophen, urn die grundlegenden theoretischen Widerspriiche zu verbergen, den dogmatischen Irrtumbegången haben. Die kritische Vernunft in der Philosophie ausgedriickt, wurde als sowohl Unfreiheit als auch Abstraktion charakterisiert. Getrennt von den Bestimmungen der Objektwelt verblieb die Vernunft und deren Ausdruck trocken, tot und mager. Die kantianische Vernunft vermochte nur eine Wissenschaft ohne Inhalt zu produzieren. Dennoch ist es offenbar so, daft Savigny seine Lösung des Problems der Rechtswissenschaft, ihr Material zu beherrschen, auf eine freie und produktive Vernunft griindete. Durch das philosophische Definieren der Kriterien zur Selektion des Stoffes, das heifit, durch das Konstruieren einer Methode nach den Voraussetzungen der menschlichen Vernunft, sollte die Vernunft die notwendige Einheit imStoff schaffen. Savignys Kritik an der Philosophie und deren Anwendung innerhalb der Juristik, wurde also gegen bestimmte wissenschaftstheoretische Schulbildungen gerichtet und beinhalteten kein Bestreiten der Notwendigkeit eines philosophischen Elementes in aller Erkenntnis. Im Gegenteil war es nach Savignys Meinung erforderlich, einen philosophischen Ståndpunkt zu finden, der auch die Rechtswissenschaft mit einer sicheren wissenschaftlichen Basis versehen sollte und dadurch die Formund die Einheit des rechtlichen Stoffes garantiert. Dies geht deutlich aus folgendem Absatz aus Vom 5er«/hervor: „S. 29 ist die Rede von der nicht gliicklichen Bearbeitung der Rechtswissenschaft imachtzehnten Jahrhundert, und es wird dabey auch die ungiinstige Einwirkung eines vielfdltigen flachen Bestrebens in der Philosophie erwähnt. Diese Stelle haben manche als ein absprechendes Urtheil iiber philosophische Bestrebungen in der Rechtswissenschaft iiberhaupt verstanden. Mir unbegreiflich; denn nach dem ganzen Zusammenhang war lediglich die Rede theils von ungliicklichen Anwendung Wolfischer Philosophie auf die Rechtswissenschaft, theils von der Einwirkung der späteren Popularphilosophen Die Aufgabe der Philosophie, ein Ideal fur die wissenschaftliche Systematik festzustellen, war in der Kritik der reinen Vernunft in einemformellen Wissenschaftsbegriff verblieben. Die allgememe Aufgabe und der Zweck der Wissenschaft hatte allerdings durch Kants erkenntnistheoretischen Ansatz eine philosophische Bestimmung erhalten. Fiir die Konstruktion einer reinen Vernunftskraft in der Rechtswissenschaft war es aber eine Voraussetzung, den kantianischen Standpunkt zu iiberschreiten. Die philosophische ,,Einseitigkeit“ der wolffianischen und kantischen ErVom Beruf, S. IV. << 56

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