122 Das Wissen der blofien Vielfalt steht somit in direktem Gegensatz zu der Forderung der kantianischen Wissenschaftsauffassung auf apriorische Form, denn ihr fehlt definitionsmäl^ig sowohl „Umrifi“ als auch „Gliederbau“ und sie wurde nach äufieren Zwecken zu zufälligen Anhäufungen geordnet, die sich unter dem wahren Systemniveau befinden/° Der methodologisch indifferente Stoff konnte also nur als Mittel - Werkzeug - fiir die Realisierung des inneren Ziels der Wissenschaft angesehen werden. Die Voraussetzungen der wissenschaftlichen Produktion genau festzustellen, gehörte statt dessen zu der vornehmsten Aufgabe der philosophischen Wissensformen. Das Vermögen der menschlichen Vernunft, ihren Erkenntnisstoff durch freie Anwendung des Materials als Werkzeug im wissenschaftlichen SchaffensprozeB, zu beherrschen, setzt voraus, daft diese Vernunft auch in der Lage ist, die notwendigen philosophischen Elemente des Wissens zu definieren. Savigny meinte, daft jede wissenschaftliche Formund Struktur ihren Grund in einemphilosophischen Ideal als Selektionsgrund hatte; die Aufgabe der Metaphysik war folglich, des Wissens höchstes, allgemeineres Ideal zu bestimmen, umdanach diesen Ausgangspunkt fiir die Konstruktion wissenschaftlicher Systematik anzuwenden. Damit, meinte Savigny, ist alles systematische Wissen in diesem Sinne philosophisch: „Alles Systemfiihrt auf Philosophic hin. Die Darstellung eines bloft historischen Systems fiihrt auf eine Einheit, auf ein Ideal, worauf sie sich griindet, hin. Und dies ist Philosophic. Der Durchbruch des transzendentalphilosophischen Ståndpunkts hatte es, streng genommen, unmöglich gemacht, sowohl die Geschichte als auch die Philosophie als Fachwissenschaft aufzufassen. Das ,,bloft“ historische Wissen bildete lediglich eine in sich formlose Vielfalt ab und erfiillte damit im wesentlichen nicht die allgemeinen Forderungen der Wissenschaft nach Form. Noch weniger vermochte es die kritische Vernunft, eine philosophisch notwendige und zugleich sachlich bestimmte Definition von der Abgrenzung einer spezialwissenschaftlichen Aufgabe zu definieren. Die blofte Historie bestand einzig und allein aus der zufälligen Erkenntnis der reinen Vielfalt. Der Kern der Philosophie, die Metaphysik, erfiillte allerdings scheinbar die formelle Forderung der Wissenschaft, aber die Disziplin, die die Wissenschaftlichkeit als Gegenstand in sich birgt, kann nicht gleichzeitig eine begrenzte Wissenschaft sein. Dies fällt durch ihre eigene Sinnlosigkeit. Das reproduktive Vermögen der Vernunft, historische Kenntnis von der Vielfalt des Stoffes zu erlangen, und deren produktives Vermögen, nach einem philosophisch bestimmten Ideal ein eigenes Objekt zu schaffen, macht statt dessen zwei qualitativ unterschiedliche Pole innerhalb der Einheit des Wissens « 41 « Siehe aaO. S. 15 f., S. 27 und S. 35 f. ■" AaO. S. 48, vgl. S. 16 („so grenzt Juri.sprudenz unmittelbar an Philo.sophie“).
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=