RB 44

105 esse der Wissenschaft zu befördern. Gleichzeitig bildete doch die philosophische Fakultät explizit nur ein einzelnes Teil von dem Ganzen der Universität. Die kantianische Fakultätskonzeption mufite folglich entweder zu einer Auflösung der Fakultätseinteilung fiihren oder dazu, daft die untere Fakultät zur Aufgabe ihres Anspruchs auf wissenschaftliche Freiheit gezwungen wurde. Die Schlufifolgerung, die Schelling aus diesem Widerspruch zog, bildet den eigentlichen Kern der Kritik, die er gegen den kantianischen Ståndpunkt imStreit der Fakultäten richtete. Die philosophische Einseitigkeit, die nach Schellings Auffassung die erkenntnistheoretische Position der blol? kritischen Vernunft prägte, spiegelte sich in der blofien Existenz der unteren Fakultät: „Was aber die philosophische betrifft, so ist meine Behauptung, dafi es iiberhaupt keine solche gebe noch geben könne, und der ganz einfache Beweis dafiir ist: dafi das, was alles ist, eben desswegen nichts insbesondere seyn kann (sowie “ 101 dafi Philosophie nur freier Verein). Die wahre wissenschaftliche Freiheit liegt stattdessen in der Fähigkeit des Erkenntnissubjekts, frei besondere Ausdriicke ftir die philosophische Einheit zu bilden, ohne dabei ihren wissenschaftlichen Charakter zu verlieren. Die philosophische Reflexion wird nur durch deren Realisierung imsachlich abgegrenzten Stoff befreit, und damit ist die selbstgewählte Isolation, in die die Philosophie geraten ist, unnötig, denn: „Es ist die Philosophie selbst, welche in den drei positiven Wissenschaften objektiv wird, aber sie wird durch keine einzelne derselben in ihrer Totalität objektiv. « 102 101 Schelling, aaO. S. 284. Das erkenntnistheoretische Problem umdie Rolle der Metaphysik im grol?en System der Wissenschaft wurde im Zusammenhang mit der Darstellung der Entwicklung der freien Wissenschaft von Kant bis Schelling diskutiert. Vgl. König, aaO. S. 134. Der Einheitsgedanke, auf den die idealistische Universitätskonzeption ihre Autonomie grundete, setzt eine philosophische Tätigkeit voraus, die den Anspruch an die Wissenschaft der Wissenschaften erfiillt. Es verdient jedoch betont zu werden, dal? Schelling in seinen Methodenvorlesungen, in höherem Mafie und mit mehr Nachdruck als es zu dieser Zeit iiblich war, die Bedeutung des Besonderen und der objektiven Bestimmung fiir die wissenschaftliche Tätigkeit akzentuierte. S. hierzu König, aaO. S. 136. In der Bildungsdebatte fand Schellings in dieser Hinsicht eigener erkenntnistheoretische Standpunkt seinen Ausdruck in Schellings geäuHertem Mifitrauen gegen den Gedanken einer philosophischen - gemeint: fachphilosophischen - Fakultät innerhalb der Universität. Schelling verhielt sich zwar nicht fremd bei dem Gedanken an eine freie Akademie mit der Aufgabe, das zu betreiben, was man „reine“ Philosophie nennen könnte, aber die Auffassung, dal? die Wissenschaft der Wissenschaften fiir sich betrieben werden sollte, war nur ein Zeichen fiir deren Unvermögen, ihre Aufgabe zu erfiillen. Siehe in dieser Hinsicht König, aaO. S. 137, der feststellt, dal? das Nichtvorhandensein einer philosophischen Fakultät als ein Zeichen fiir die starke Stellung der Disziplin aufgefal?t werden mul?. Damit mu(?te die allgemeine Annahme, dal? die idealistische Universitätsauffassung vornehmlich dadurch charakterisiert wurde, dal? die philosophische Fakultät im Zentrumplaziert wurde, modifiziert werden — zumindest in Bezug auf Schellings Fakultätsorganisation, siehe z.B. Schröder, J., aaO. S. 146, Fn. 71 und Nipperdey, Deutsche Geschichte, 1800-1866, S. 474 f. Schelling, aaO. S. 284. Schellings Gestaltung der Universitätsorganisation war jedoch nicht

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=