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85 Vorlesungen iiber die akademische Methode machte Schelling folgende Anmerkung: „Um von den Verhältnissen derselben [der Fakultäten] untereinander das Nothige zu bemerken, besonders da Kant in der Schrift: Streit der Facultäten, diese Frage nach sehr einseitigen Gesichtspunkten betrachtet zu haben scheint . . . « 46 Die Auffassung, dafi die Position, die Kant in Der Streit der Fakultäten eingenommen hat, äufierst einseitig war, veranlaBte Schelling, selbständig das wahre Verhaltnis zwischen den verschiedenen Teilen in dem Universitatsorganismus aufzuklären zu suchen. Schellings Beurteilung des Standpunktes iiber den gesetzmäf^igen Streit der Fakultäten darf nicht als ein Desinteresse an dem grundlegenden Gegensatz, der hinter demStreit der Fakultäten stand, aufgefaBt werden. Vielmehr geht auch die schellingsche Erkenntnistheorie von der absoluten Aufteilung von Zwecksetzungen in „innere“ und „äufiere“ aus; der Gegensatz zwischen Wissenschaft und Gutdiinken war tatsächlich der einzige Gegensatz in der Erkenntnis, den Schelling ausdriicklich akzeptierte."*^ Daf5 die Gegensätzlichkeit zwischen äu£eren und inneren Zwecken nun die Einheit und Freiheit der Universität zunichte zu machen drohte, konnte folglich, nach Schelling, allein von Mängeln - näher bestimmt der Einseitigkeit - in Kants genauerer Formulierung des Problemes abhängig sein. Schelling stellte einleitend fest, daft die wissenschaftliche Methode das einzige relevante Kriterium fiir die Bestimmung der wahren Natur der akademischen Vereinigungen darstellte. Folglich bildete das Urteil der Vernunft - genau wie Kant in Der Streit der Fakultäten behauptet hatte - den einzig möglichen Ausgangspunkt fiir die Wiederherstellung der Einheit der Universität. Denn ,,dies ist die einzige Politik, die in Ansehung aller Anstalten fiir Wissenschaft statthat, um sie bltihend zu machen, um ihnen so viel möglich Wiirde nach innen und Ansehen nach aufien zu geben. Umdie Akademien insbesondere zu Mustern von Verfassungen zu machen, erforderte es nichts, als was man, ohne einen Widerspruch zu begehen, gar nicht umhin kann zu wollen . . Schelling, aaO. S. 283. Siehe oben S. 29, zu dem prinzipiellen Unterschied zwischen „Gegensatz“ und „Gegensdtzlichkeit". Nach Schellings Auffassung bildete die Dynamik, die Polarität der Gegensatze die wichtigste Voraussetzung fur lede Produktion, auch fiir die organische Bildung. Dagegen stellte die Gegensätzlichkeit - der Abgrund, der jede Vermittlung effektiv unmöglich macht - nur ein Zeichen fiir die unvollständige Emanzipation der menschlichen Vernunft dar. ■*** AaO. S. 237. Die notwendige theoretische Voraussetzung fur diese Uberlegung geht deutlich hervor; um die Aporie des gesetzmaisigen Streits der Fakultäten aufzulösen, waren die nachkantianischen Idealisten gezwungen, den philosophisch gepragten Wissenschaftsbegriff mit der gegeniiberstehenden Bestimmung „Bildung“ zusammenzukoppeln. Kant hatte allerdings diesen prinzipiellen Gegensatz klar erfafit - „die Freiheit Gesetze zu geben ist ganz etwas anderes, als die Natur zu bilden“, zit. nach: Histonsches Wörterhuch der Philosophic, Bd. I („Bildung“), Sp. 925 (vgl. Kant, Uhcr Pcidagogtk, passim) - aber weder nach dessen Aussohnung in einer höheren Einheit gestrebt noch diese erreicht.

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