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80 mufi, aber das in demgesetzmäl^igen Streit der Fakultäten festgestellte Verhältnis zwischen unteren und oberen Fakultäten, erweckt den Anschein, dafi die Gegenseitigkeit eher in Einseitigkeit iibergegangen ist. Welcher Einflufi den höheren, instrumentellen Fakultäten auf die prinzipiell unabhängige untere Fakultät erlaubt sein sollte, erscheint unklar. Aus diesem erkenntnistheoretischen Blickwinkel zeigte es sich, daft die freie Fakultät ebensowohl wie die autonome Universität von einer Tätigkeit dargestellt wurden, die notwendigerweise mit äufieren und damit zufälligen Zwekken vermengt war. Aus diesem Grund war der Antagonismus zwischen den oberen und der unteren Fakultät - natiirlich nur in demMafie, in dem dieser als Streit zwischen Gelehrten gefiihrt wurde - sowohl notwendig wie konstant. Dieser Streit zwischen verschiedenen Interessen resultierte in dem kontinuierlichen Grenzziehungsversuch zwischen inneren und äufieren Zwecken fiir die Gestaltung der Tätigkeit, in der die wissenschaftliche Freiheit den Mafistab bilden mufite: „Dieser Antagonism, d.i. Streit zwischen zweier mit einander zu einem gemeinschaftlichen Endzweck vereinigten Parteien (concordia discors, discordia concors) ist also kein Krieg, d.i. keine Zwietracht aus der Entgegensetzung der Endabsichten in Ansehung des gelehrten Mein und Dein, welches so wie das politische aus Freiheit und Eigentum, wo jene als Bedingung notwendig vor diesem vorhergehen mufi; folglich den oberen Fakultäten kein Recht verstattet werden kann, ohne dafi es der unteren zugleich erlaubt bleibe, ihre Bedenklichkeit iiber dasselbe an das gelehrte Publikumzu bringen. « 35 Der kantianische Streit der Fakultäten stellt einemexpliziten Ausdruck fiir den Durchbruch der freien Wissenschaft als entscheidender Argumentationsgrund dar. Die kopernikanische Wende fiihrte nämlich dazu, daft die Kriterien tiber die wissenschaftliche Bestimmung des Stoffes den ausschlaggebenden Argumentationsgrund in alien Streitigkeiten zwischen Wissenschaftlern bildeten - denn allein dadurch ging der Konflikt von einem gesetzwddrigen Krieg zu einem gesetzmäl^igen Streit iiber, in dem die Aufteilung der Erkenntnis in Mein und Dein respektiert wurde. Der Typ von wissenschaftlicher Freiheit, den Kant ausgehend von seiner Vernunftskritik befiirwortete, war notwendigerweise äufierst begrenzt und bescheiden. Kant charakterisierte die Unabhängigkeit der unteren Fakultät und damit auch die der Universität gerade als Anspruchslosigkeit: „eben diese Anspruchlosigkeit, blofi frei zu sein, aber auch frei zu lassen, blofi die Wahrheit zumVorteil jeder Wissenschaft auszumitteln und sie zumbeliebigen Gebrauch der oberen Fakultäten hinzustellen . . Die Freiheit der philosophischen Fakultät beschränkte sich auf die Freiheit in der Reflexion; weiter erstreckten sich nämlich nicht die Befugnisse der kanAaO. S. 346. AaO. S. 338.

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