RB 43

342 mitteis Eid gewesen zu sein, sei es nur eigener Eid oder verstärkter Eid von was man Eideshelfer nennte. Die erste Frage, die man sich deshalb stellen sollte ist, ob ”nämnd” etwas mit den Eideshelfern oder, wie der schwedischen Ausdruck lautet, ”edgärdsmän”, zu tun hatte. Die Antwort muss ein unbedingtes Nein sein. Die Eideshelfer wurden in der Regel vomVerklagten, dessen Verwandten oder nachsten Angehörigen ausersehen. ”Nämnd”, welcher als Ausschuss der Vertrauensmänner der bodenbesitzenden Bauernbevölkerung oder dessen Stellvertreter aufgefasst werden muss, konnte nur im Ausnahmefall als Eidesheifer infragekommen. Die andere Frage ist, ob der Ausschuss etwas mit dem Zeugenbeweis zu tun gehabt haben konnte. Hier sieht man in der Regel von der Entwicklung des Zeugenbeweises ab. Dieses Beweismittel ist nämlich der grosse Beitrag des kanonischen Rechts zur Entwicklung des abendländischen Prozesses. Infolge des Vierten Laterankonzils imJahre 1215, das Ordalien verbot, wurde der abendländische Prozess eines seiner wichtigsten Beweismittel beraubt. An dessen Stelle kam der Zeugenbeweis, der gegen Ende des 12. und zu Anfang des 13. Jahrhundert vor allem von Papst Innozenz III. im kanonischen Recht ausgebildet wurde und folglich schon in Compilatio III seinen Niederschlag fand. Dessen Inhalt gewann iiberraschender Weise in X (5,34) ab Kapitel 10 Einlass, während sich die vorausgehenden neun Kapitel auf Compilatio I mit dem bedeutungsvollen Rechtsstoff Alexanders III. und dem Dritten Laterankonzil von 1179 beziehen. Der verbotene Ordalbeweis wurde somit durch den Zeugenbeweis als zentrales Beweismittel ersetzt. Dass die Ordalien aber nicht ohne weiteres durch den Zeugenbeweis ersetzt werden konnten, zeigte sich u.a. in England, wo der Zeugenbeweis seit altersher kein grosses Ansehen genossen hatte, was aus der Vorschrift in Hn 31 §5 hervorgeht, wonach niemand in England nur mit Hilfe des Zeugenbeweises fiir ein schweres Verbrechen verurteilt werden konnte. Wie bereits friiher erwähnt, steht ”nämnd” als ein Rechtsausschuss der Thinggemeinde da und sein Handeln hat deshalb den Charakter eines Gerichts. Das braucht doch keineswegs bedeuten, dass ”nämnd” in der gleichen Weise wie ein mödernes Gericht handelte. ImMittelalter hatte das Gericht keine juristisch ausgebildeten Richter. Diese konnten erst ausgebildet werden nachdem man an den Universitäten und Rechtsschulen das Studium der Rechte organisiert hatte. Die Funktion des rechtskundigen Richters deckte ”nämnd” oder dessen Gegenstiick, wobei ”nämnd” auch die Funktion hatte, das Gedächtnis des Things zu sein, da schreibkundige Notare erst viel später vorkamen. Der Vorsitzende des Gerichts war in der Regel ein Adliger, ein Graf oder ”lagman” oder ein Vertrauter des Königs. Dieser ”bestellte” eine Aussage vom Rechtsausschuss, besonders da dieser aufgrund seiner Orts- och Personenkenntnis am besten dafiir geignet war. In vielen Fällen konnte man auch deswegen keineswegs voraussetzen, dass der Vorsitzende besonders rechtskundig

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYyNDk=