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356 selbständige Analyse des ihn beschäftigenden Problems vorlegt. Ein solches Veriahren zeichnet besonders Hagströmer, Lundstedt, Trygger und Winroth aus. Es findet sich - wenn auch in geringerem Grade — bei Afzelius, Almén, Hammarskjöld und Undén. Beide Verhaltensweisen schliessen sich keineswegs aus, sie können im Gegenteil wohl vereinbar sein. Ein schwedischer Rechtswissenschaftler kann stark von einem oder einigen deutschen Rechtsgelehrten beeinflusst sein und gleichzeitig danach streben, ein selbständiges Bild des rechtlichen Problems, das ihn beschäftigt, zu geben. Die acht hier untersuchten Juristen bewegen sich auf einer Ebene, wo man zweifellos selbständig arbeitet. Dies wird durch Urteile von deutscher Seite iiber die Qualität der Abhandlungen schwedischer Rechtswissenschaftler in brieflichen Äusserungen und Besprechungen bestätigt. Man muss hier auch beachten, dass der schwedische Jurist, der seine Habilitation iiber Versteigerung, Vollmacht, Tarifvertrag usw. schrieb, die Aufgabe hatte, das geltende schwedische Recht seines Themas darzustellen. Der deutsche Jurist leitete seine Darlegungen aus dem deutschen Rechte her; ebenso lag den Ausfiihrungen der schwedischen Juristen das schwedische Recht zugrunde. Von dieser Umstande her erklärt sich wahrscheinlich der Unterschied in der Beurteilung, welche Problemlösung jeweils richtig sei. Hinzu kommt, dass die Rechtswissenschaftler beider Staaten selten von eindeutigen Gesetzesvorschriften ausgehen konnten. Deshalb mussten sie sich auf andere Rechtsquellen, wie Rechtsprechung, juristische Doktrin und allgemeine Rechtsgrundsätze stiitzen. Mindestens fur einen Teil des untersuchten Zeitraums und in gewisser Hinsicht fiir die ganze Periode hatten die schwedischen Rechtsgelehrten keine Stiitze am geltenden Gesetz. In gewissen Fallen konnte die Rechtsprechung diese ”Gesetzesliicken” ausfullen, aber das war nicht immer möglich. Während dieses Zeitraums war das schwedische Privatrecht grossenteils stark veraltet und bot deshalb wenig oder gar keine Hilfe zur Beurteilung eines rechtlichen Problems. Das erklärt sich leicht daher, dass grosse Teile der Gesetze seit dem Inkrafttreten des Gesetzbuches von 1734 unverändert waren. Dieses Gesetzbuch war iibrigens bei seinem Inkrafttreten auch keine Reformgesetzgebung gewesen. Die verantwortlichen schwedischen Juristen waren sich des Bedarfs neuer Gesetzgebung wohl bewusst, und das ganze 19. Jahrhundert ist von mehr oder minder — meist minder — gegliickten Versuchen bestimmt, das ganze Gesetzbuch von 1734 oder Teile davon durch Gesetzgebung zu erneuern. Aber wenn man auch historisch zu erklären vermag, warnm die schwedischen Gesetze unbefriedigend waren, so war das nur ein schwacher Trost fiir die schwedischen Rechtswissenschaftler. Ihre Aufgabe festzustellen, was geltendes Recht war, erschwerte sich damit, aber vielleicht war sie deswegen auch reizvoller. Es lag deshalb nahe, rechtsvergleichend zu arbeiten, das Recht der anderen nordischen

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