B42 Forderunjren auf Abschaffung der Todesstrafe warden jedoch unmittelbar im Reichstage erhoben, dessen Zweite Kammer 1867 bescbloss, diesem Antrag zu entsprechen. während die Erste Kammer ihn ablehnte. Im folgenden Jahr erwartete man allgemein, dass beide Kammern der Forderung einer Reform staltgeben wiirden, aber dem damaligen Staatsund Justizminister Louis de Geer gelang es, die JVIeinung der Kammern dabin zu wenden. dass die Strafe beizubehalten sei; die Zeit war, wie man meinte. fiir eine so radikale Reform noeh nicht reif genug. Vielmehr könne das Gemeinwesen die Anwendung der Strafe in ausserordentlichen Situationen noch benötigen. Die starke Forderung einer Reform kam jedoch in den folgenden Jahren auf vielen Reichstagen wieder. Der die Strafe ablehnenden Meinung gelang es aber nie, die Mebrheit dafiir in beiden Kammern zu gewinnen. Erst naeh Ende des ersten Weltkrieges gab der Reichstag ihr statt, soweit Frieden herrschte. Fiir den Kriegsfalll blieb die Strafe jedoch bis zur Verfassungsreform 1971 bestehen, womit ein vollständiges \ erbot der Anwendung mit der einleitungsweise zitierten Verfassungsbestimmung eingefiihrt worden ist. Die mehr als 100-jährige Debatte iiber die Todesstrafe in Schvveden ist ein Spiegelbild der Auffassungen im Reichstag, in der Presse und in der Literatur. Alle grossen Juristen der Zeit waren in dieser Frage engagiert. Von Interesse sind auch die Stellungnahmen der kirchlichen Autoritäten und der Volksbewegungen. die nicht von politischen Linien geleitet waren. sondern auf ideologischer Grundlage beruhten. Hierbei können wir den Einfluss der Lehren von Kant und Hegel in unserem Lande, die Bedeutung der älteren schwedischen Philosophen. den Einfluss deutscher Rechtsdenker und, besonders im 19. Jahrhundert, französischer Rechtsgelehrter und Politiker beobachten. Eine bedeutende Rolle fiir die schwedische Debatte spielte Knut Olivecrona, der besonders von Charles Lucas, Professor in Paris, sowie von Heidelberger Professor Carl Mittermeier inspiriert war. Das Buch von Olivecrona iiber die Todesstrafe — in zwei Auflagen — wurde weit ausserhalb Schwedens Grenzen bekannt und geschätzt. Von der letzten Hälfte des 19. Jahrhunderts ab iibte eine modernere Kriminalistik — besonders von Franz von Liszt und anderen deutschen Forschern — einen grossen Einfluss aus. In der schwedischen Debatte spielte Johan Thyrén die grösste Rolle. Nach Ende des ersten Weltkrieges konnte die lange erstrebte Reformendlich fiir Friedenszeiten durchgefiihrt werden. Als 50 Jahre später gefordert
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