401 des beabsichtigten Zwecks erreichen, nämlich Gehorsam im Kriege zu schaffen und den allgemeinen Verteidigungswillen zu fördern. Livijn formulierte seine Lehre des Militärstrafrechts deshalb konsequent nach dem Vorbild des Gesetzeskomitees, das Vorschläge zur Reform des allgemeinen Strafrechts erarbeitet hatte; wie das allgemeine Strafrecht sollte das Militärstrafrecht Straftaten vorbeugen und den Straftäter resozialisieren, nicht ihn abschrecken und vernichten. In Livijns Gedanken kommt also ein deutlicher Bruch mit der älteren Tradition des Militärstrafrechts zum Ausdruck. Livijn konnte auf diese Weise ein Militärstrafrecht nach derselben Systematik wie das Gesetzeskoniitee konstruiren was u.a. bedeutete, daB er klar kriminelle Straftaten und polizeirechtliche OrdnungsverstöBe unterschied. Alle strafwerten Handlungen, die die Qualifikationen als eigentliche Straftaten nicht erfiillten, sollten als polizeilich verfolgbare Ubertretungen behandelt werden. Diese polizeirechtlichen Ubertretungen sollten durch sofort vollziehbare, aber milde MaBnahmen geahndet werden. In diesem Punkt tritt deutlich das Erbe von Becearia und Calonius in Erscheinung. Durch polizeirechtliche Ahndung konnte die Effizienz des Militärrechtswesens erhöht und mindere Ubertretungen durch adäquate Mittel korrigiert werden, ohne daB der Bestrafte als Verbrecher abgestempelt wurde. Livijn verfeinerte jedoch die Theorie des auBergerichtlichen Bestrafungsrechts auf eine Weise, die fiir die ganze folgende Rechtsentwicklung entscheidend wurde; seine Analyse des Begriffes der auBergerichtlichen Bestrafung im weiten Sinne fiihrte dazu, daB er aus der auBergerichtlichen Strafhoheit zwei zu unterscheidende Bestrafungsrechte isolierte, nämlich zum einen ein polizeiliches oder auBergerichtliches Bestrafungsrecht im eigentlichen Sinne und zum zweiten das Disziplinarbestrafungsrecht. Letzteres miisse auch Offizieren der niedrigeren Ränge zugestanden werden und als ein „väterliches“ Korrektionsrecht derselben Art verstanden werden wie das Recht des Lehrers gegeniiber seinen Schiilern und das Recht des Haushaltsvorstandes gegeniiber seiner Familie und seinen Bediensteten. In diesem Punkt wurde der primär strafpolitische Zweek von Livijns Lehre deutlich. Mit Hilfe des Disziplinarrechts sollten Vorgesetzte der niedrigeren Ränge in die Lage versetzt werden, ihre Untergebenen zu gutem Auftreten und zufriedenstellender Disziplin erziehen zu können; der Grundgedanke war also, daB diese Erziehung so wirksam werden sollte, daB körperliche Zurechtweisungen in Form von Priigeln nicht mehr erforderlich waren. Livijn war also Fursprecher einer extrem weit gehenden Individualprävention, durch die der Vorgesetzte seine Untergebenen zu Gehorsam und Disziplin erziehen konnte. Anders als das Militärstrafrecht älterer Prägung, das erst nach Begehung der Straftat strafend eingriff, -6 Nygren
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