396 schwedischen Militärfiihrung ubernommen warden, desto gröBer wurde auch die Bereitschaft zur Ubernahme auBergerichtlicher Methoden der Disziplinierung. Die Konsequenz dieser Entwicklung wurde ein Zusammenfalien und eine Vermischung extrajudizieller Rechtselemente mit rein militärischen Disziplingesichtspunkten. Hinzu kam, daB das auBergerichtliche Verfahren leicht der polizeilichen Ordnungsgesetzgebung angepaBt werden konnte, die sicli damals entwickelte. Hier liegt der Schliissel zum Verstandnis der starken Stellung der auBergerichtlichen Bestrafung in den Kriegsartikeln der neunziger Jahre des 18. Jahrhunderts. Diese Bestrafung hatte also eine zweifache Funktion: sie sollte wahrend Ausbildung und Exerzieren als Mittel der Zurechtweisung dienen und sie sollte summarische Strafe sein. Ohne Rucksicht auf die jeweilige Funktion sollte auBergerichtliche Bestrafung unter Beriicksichtigung des Prinzips des unmittelbaren Vollzugs verhängt werden, d.h. eine ausgesprochene Strafe war ohne Rucksicht auf eventuelle Anfechtungs- und Rechtsmittelpläne des Bestraften immer zu vollziehen. Auf diese Weise warden Untergebene tatsächlich mehr oder weniger offen dem Gutdiinken ihrer Disziplinarvorgesetzten ausgeliefert; ihre Möglichkeiten einer Rechtsdurchsetzung mit Hilfe von Rechtsmitteln diirften tatsächlich sehr beschränkt gewesen sein. Einschränkend wirkte auBerdem die Möglichkeit der reconventio, die bei unbegriindeten Rechtsmitteln ständig uber dem Rechtsmittelfuhrer schwebte. Die Napoleonischen Kriege bedeuteten das Ende der klassischen preuBischen Kriegfuhrung. Kriege warden zu nationalen Unternehmen fur die Staatsvölker. Die Wehrpflicht wurde im Bereich der Militärmächte des Kontinents eingefiihrt und damit gleichzeitig die sozialen und vor allem die sozialpsychologischen Grundlagen des gesamten Militärapparates in Frage gestellt. Die Staatsfiihrungen muBten um jeden Preis den nationalen Kampfeswillen ausnutzen. In rechtlicher Hinsicht machte diese Entwicklung einen Bruch mit den grundlegenden Wertungen erforderlich, die das militärische Straf- und StrafprozeBrecht bisher getragen hatten. Unter Aufgabe des bisher dominierenden Gedankens der Abschreckung wurde das Militärstrafrecht in ein System eingegliedert, in dem militärpsychologische Effektivitätsargumente einen fundamentalen Platz einnahmen. Ziel und Zweck der Kriegsrechtspflege wurde es nun, in erster Linie VerstoBe gegen die Kriegsgesetze so zu korrigieren, daB das Ansehen der Soldaten nicht geschädigt und ihre Bereitschaft zur Verteidigung des Vaterlandes nicht beeinträchtigt wurde. Diese Entwicklung verlangte ein besonderes Militärstrafwesen, das Strafen ohne Ehrenriihrigkeit und ohne Parallelen imallgemeinen Strafrecht verwendete. In Schweden wurde die allgemeine Wehrpflicht — nach einigen Ver-
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