21 zersetzenden, in die Irre fiihrenden und zerstörenden Einfliisse auf das Leben der Kirche, ihre Glaubenssätze und ihre Machtstellung. Die Reformpäpste verlangten eindeutige und effektive Regeln fiir ein schnelles Eingreifen gegen säumige und verbrecherische Fursten, Prälaten und Priester, gegen Häretiker und andere Sunder. Man vereinfachte den gerichtlichen ProzeB durch die Zulassung von Verfahren ohne regelrechte Anklage und Beweiserhebung.^® Durch die gleichzeitige Bearbeitung des kanonischen und des römischen Rechts in Bologna und durch die Zusammenarbeit der Kommentatoren kames schlieBlich zumEntstehen einer römisch-kanonischen Rechtswissenschaft,^^ die dem Geständnis im damaligen weltlichen ProzeB einen ebenso zentralen Platz zuwies wie imkanonischen Verfahren. Nach den Quellen zu urteilen, gait die Diskussion iiber die Möglichkeiten einfacher und wirksamer Abhilfe hinsichtlich der deutlichsten und offenbaren MiBstände in der Kirche und dem weltlichen Leben ganz besonders dem Begriff notorium, der in diesem Zusammenhang eine im kanonischen Recht entwickelte Neuigkeit zu sein scheint und später auch von den Bearbeitern des römischen Rechts iibernommen und verwendet wurde.^^ Durch die Entwicklung des wo^o^^^m-Begriffs wurde dann auch der confessioBegriff zu einem der Hauptbegriffe des römisch-kanonischen ProzeBrechts. Bevor wir uns der Untersuchung des Begriffs notorium in der römischkanonischen Rechtentwicklung zuwenden, sei ein Blick auf die ProzeBtypen geworfen, die im Mittelalter durch das römisch-kanonische Recht entwickelt waren oder wurden.^® Es durfte ein Verständnis der Wirkungen des summarischen Prozesses erleichtern. In Strafsachen kamen zwei ProzeBformen vor: zuerst der AkkusationsprozeB und später — im 13. Jahrhundert — auch der InquisitionsprozeB. Der ältere akkusatorische ** Dict.p.c. C 2, q 1, c 14; C 2, q 1, c 15 (Ambrosius), 16 (Nic. I), 17 (Steph. V); Bernhard von Pavia, Summa decretalium, lib. V. tit. 1: Summa Rolandi, C 2, q 1; Summa Rufini, C 2, q 1. W. Trusen, Anfänge des gelehrten Rechts in Deutschland, 1962, S. 22 ff.; R. StintZING, Geschichte der populären Literatur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland, 1867, S. 487 ff. LÉVY, La hierarchic, S. 32 ff.; J. Ph. Levy, La probleme de la preuve dans des droits savants du moyen-age, 1965, S. 160 ff. Zum Begriff notorium siehe auch C. Gross, Die Beweistheorie im canonischen Process, I, 1867, S. 47—54, II, 1880, S. 4—5, 106—111. In diesem Zusammenhang wird man aus dem Corpus iuris civilis C 9, 2, 7 beachten miissen; Ea quidem, quae per officium praesidibus nuntiatur, et citra sollemnia accusationum posse perpendi incognitum non est. Verum falsis nec ne notoriis insimulatus sit, perpenso iudicio dispici debet. Siehe hierzu N. Munchen, Das kanonische Gerichtsverfahren und Strafrecht, I, 1874, S. 231—511. H. U. Kantorowicz, Albertus Gandinus und das Strafrecht der Scholastik, I, 1907, S. 63 f., 87—145.
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