178 vollen Beweis, ist aber nur subsidiäres Beweismittel. Den untersten Rang nahmen schlieBlich die Indizien ein. Diese Rangordnung der Beweismittel in den erhaltenen Urteilsbiichern stimmt offenbar mit der spätmittelalterlichen Skala weitgehend iiberein. Bestimmte Unterschiede gibt es aber. Sie sind ein Ergebnis der schon angesprochenen ProzeBrechtsentwicklung und des Einflusses ausländischer Rechte. Wir haben schon festgestellt, daB in Strafsachen während der hier untersuchten Jahre das Geständnis wie schon im Mittelalter als vollwertiger Beweis betrachtet wurde, der eine Tat notorisch machte. Hier sei wieder auf die Worte in den Olaus Petri zugeschriebenen Richterregeln verwiesen, die wir schon imStadtrecht Magnus Erikssons gefunden hatten: Kend saak är så godh som witnatP Zwar ist der Wortlaut in den Richterregeln im Vergleich mit dem Stadtrecht etwas verändert, seine Bedeutung diirfte aber unverändert sein, d. h. es soil ausgedriickt werden, daB eine Tat durch ein Geständnis des Täters ebenso offenkundig und notorisch wird wie durch Zeugen. Das Geständnis ist mit anderen Worten ein vollwertiges Beweismittel. Diesen SchluB kann man auch aus dem Kommentar zum Stadtrecht ziehen, der ebenfalls Olaus Petri zugeschrieben wird. Dort heiBt es zu der Geburt gestorben und hatte noch auf dem Sterbebett gegeniiber dem Pfarrer und drei Zeugen bestritten, mit dem Bauren Geschlechtsverkehr gehabt zu haben sowie ein Kind geboren und getötet zu haben. Der Pfarrer hatte ihr nachdriickliche Vorstellungen gemacht und sie ermahnt, im Hinblick auf ihre Seeligkeit die Wahrheit zu sagen. Die Frau war nahe daran, ein Geständnis abzulegen. In diesem Augenblick lieB der Bauer ihr aber eine heimliche Botschaft ausrichten mit der Folge, daB sie bei ihrem Leugnen blieb. Vor Gericht gestand der Bauer, daB er mit der Magd Geschlechtsverkehr gehabt hatte, was er und seine Ehefrau vorher abgestritten hatten. Bei dieser Gelegenheit sagte auch die Ehefrau als Zeugin aus, daB ihr Mann mit der Magd Geschlechtsverkehr gehabt habe. Der Bauer bestritt jedoch, der Vater eines Kindes der Magd zu sein und das Kind getötet zu haben. Sehr starke Indizien deuteten aber an, daB die Magd ein Kind geboren hatte: Sie war mit blutigen Kleidern aus dem Wald gekommen, und aus ihren Briisten war Milch geronnen. Hierzu machte die Frau des Bauern Aussagen, und auch der Pfarrer hatte die Briiste der Magd auf dem Sterbebett untersuchen lassen. Die Geschworenen und der Richter glaubten dem Bestreiten des Mannes nicht. Schon vorher habe er sich zusammen mit seiner Frau durch Liigen verteidigt. AuBerdem meinte man, daB seine heimliche Botschaft an die Magd auf ihrem Sterbebett ein starkes Indiz gegen ihn darstelle. Geschworene und Richter verurteilten ihn deshalb nicht nur wegen Unzucht, die er gestanden hatte, sondern auch als Vater des Kindes der Magd und der Teilnahme am Kindesmord. Das erstaunliche an dieser Sache ist die Verurteilung wegen Vaterschaft und Kindesmord vor allem auf der Grundlage von Indizien, obwohl die Magd sogar auf dem Sterbebett die Vaterschaft des Bauern und eine Teilnahme an einem Kindesmord bestritten hatte und keine andere Zeugen als die Ehefrau des Bauern vorhanden waren, die zudem nur bezeugte, daB er mit der Magd Geschlechtsverkehr gehabt hatte. In diesem Fall hielt man sich also nicht an feste Beweisregeln. Domareregler, S. 29, Punkt 17. Siehe oben Kapitel 2, S. 92. 89
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