150 und auch das vom Beklagten wiederholte Geständnis, d. h. confessio extraiudicialis acceptata vel geminata, bewertet Carpzov als prohationes plenaeJ^ Zur Frage des Rechts der Appellation an höhere Instanzen ubernehmen die deutschen Juristen ebenfalls die Lehren der spätmittelalterlichen und zeitgenössischen Kanonisten und Legisten. In Strafsachen und auch in Zivilsachen ist die Appellation nicht zugelassen, wenn ein Geständnis der betreffenden Partei vorliegt. Chilian König und auch später Justinus Gobler sagen imiibrigen, in Strafsachen sei eine Appellation nicht möglich, u. a. wenn der Täter gestanden habe oder iiberfiihrt sei.®“ Damhouder meint demgegeniiber, eine Appellation sei unzulässig, wenn der Täter eine Tat gestanden habe und deshalb verurteilt worden sei; sie sei aber möglich, wenn er nicht selbst gestanden habe, sondern auf Grund Uberfiihrung verurteilt worden sei.®^ Damhouder vertritt also eine Ansicht, die auf derselben Linie liegt wie die einer Gruppe spätmittelalterlicher Rechtsgelehrter, die die Unzulässigkeit einer Appellation vom Vorliegen eines Geständnisses abhängig machten. Damhouder fiigt jedoch hinzu, daB das flandrische Recht in keinem der Fälle eine Appellation zulasse. In Zivilsachen ist nach Damhouder eine Appellation u. a. dann unzulässig, wenn der Betroffene ein Geständnis abgelegt hat, ein Urteil ergangen ist und kein Irrtum vorliegt.®- Carpzov folgt Damhouders Linie und stellt fest, man könne nicht gegen das eigene Geständnis appellieren.®^ Hat z. B. der Beklagte eines Zivilprozesses eine confessio in iudicio abgelegt, kann der Richter die Entscheidung fällen und sofort vollstrecken lassen.®^ In derartigen Fällen ist ein summarischer ProzeB zulässig.®^ Zusammenfassend wäre festzuhalten, daB die prozeBrechtliche Literatur in Deutschland seit dem Ende des Mittelalters bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts Anzeichen starker Einfliisse des römisch-kanonischen Rechts aufweist, wie es sich vor allemin Italien entwickelt hat. Besonders deutlich gilt das fiir das Rechtsinstitut des Geständnisses. Mit äuBerst geringen Veränderungen iibernimmt man die Lehrsätze der Kanonisten und Legisten. Die theokratische Weltanschauung tritt gewöhnlich in der deutschen ProzeBrechtsliteratur nicht besonders klar hervor. Sie zeigt sich jedoch in *® Carpzov, Processus iuris, 13, 3, 13—14, sowie Responsa juris electoralia, III, 7, 67, 12—13. König, Practica, cap. 118, 1—2; Gobler, Gerichtlicher Process, I, Von Gerichtlichen Appellation, Wenn oder in welchen Sachen man nicht mag Appellieren, S. 68 a. Slehe auch Perneder, Gerichtlicher Process, 79 D—80 D. Damhouder, Praxis rerum criminalium, cap. 151, 1—2. ®- Damhouder, Practica, Gerichtlicher Handlunge in Biirgerlichen Sachen, cap. 230, 1. Carpzov, Processus iuris, 18, 2, 20, sowie Responsa juris electoralia, III, 12, 127, 11. Carpzov, Processus iuris, 22, 1, 20. Carpzov, Processus iuris, 1, 1, 50. 84
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