RB 26

143 oder weniger festgehalten werden, um dem Richter Gelegenheit zu einer Untersuchung zu geben, ob sich neue Indizien ergeben wiirden. Ergaben sich keine, war der Verdächtige zu entlassen.^^ Ein Gestandnis während der Folter, das sparer widerrufen wird, schadet dem Verdächtigen nicht, stellt aber ein Indiz und halben Beweis gegen den Geständigen dar, confessio in tortura facit indicium et semiplenam probationem; und nach König reicht es fiir erneute Folter aus.^“ Damhouder sagt sogar, daB die Folter wiederholt werden kann, wenn der Richter auf Grund sehr starker Indizien —z. B. zwei oder mehr zuverlassige Zeugenaussagen —von der Schuld des Verdächtigen uberzeugt ist. In derartigen Fällen kann die Folter wiederholt werden, ohne daB sich neue Indizien ergeben haben."*^ Diese Regeln bedeuteten natiirlich wie schon gesagt eine bedenkliche Umgehung des Verbotes einer Wiederholung der Folter ohne neue Indizien sowie eine Aushöhlung der Forderung nach spontaner Ablegung des Geständnisses. Der Verdächtige sah ja die ganze Zeit die Drohung mit erneuter Folterung vor sich. In diesem Zusammenhang sind auch Damhouders Gedanken iiber das unter der Folter freiwillig Gestandene, auf das sich keine Frage des Richters bezogen hatte. Solchen Geständnissen, sagt Damhouder, solle der Richter nicht glauben. Nach Beendigung der Folter solle er aber ihren Wahrheitsgehalt ermitteln. Unter Hinweis auf die römisch-kanonischen Autoritäten sagt Damhouder weiter, es geschehe häufig, daB während der Folter eine Tat gestanden werde, an die der Gefolterte nie gedacht und die er nie begången habe, nur um hingerichtet zu werden und weiterer Folterung zu entgehen.^^ — Diese Bemerkung läBt trotz allem eine gewisse Skepsis gegeniiber der Folter als Mittel zur Erzwingung „spontaner“, wahrer Geständnisse erkennen. Konnte der Verdächtige jedoch beweisen, daB er bei seinem Geständnis einem Irrtum erlegen war, durfte die Folter nicht wiederholt werden.^® Falls ein unter der Folter erzwungenes Geständnis als Grundlage einer Verurteilung dienen sollte, d. h. als Geständnis, das die fragliche Tat notorisch machte, muBte es vor Gericht und auBerhalb der Folterkammer wiederholt werden, nachdem der Gefolterte mindestens einen Tag lang Gelegenheit zur Erholung gehabt hatte.'*® Man meinte offenbar, daB der Gefolterte in der Zwischenzeit solchen Abstand zu den Schrecken der Folter gewinnen und wieder in geistiges Gleichgewicht kommen wiirde. Damhouder, Praxis rerumcriminalium, cap. 40. König, Practica, cap. II, 22. Damhouder, Praxis rerumcriminalium, cap. 38. Damhouder, Praxis rerumcriminalium, cap. 39. König, Practica, cap. II, 22. ** König, Practica, cap. II, 28; Damhouder, Praxis rerum criminalium, cap. 39. Siehe hierzu auch Gobler, Gerichtlicher Process, II, Von den Bekendtnussen, S. 99 b.

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