138 gerichten und juristischen Fakultäten als Richter, Lehrer und Ratgeber, an die man sich mit schwierigen und zweifelhaften Sachen mit der Bitte um Rat wandte. In diesem Zusammenhang sei auch die Kameralistik mit ihrer umfassenden Veröffentlichung von Reichskammergerichtsentscheidungen genannt. In den erwahnten ProzeBrechtshandbiichern findet man nicht nur Schilderungen des Prozesses nach römisch-kanonischem Recht in Zivilund Strafsachen, sondern auch ausfiihrliche Darstellungen der verschiedenen Beweismittel — unter ihnen selbstverstandlich auch das Geständnis —und ihres Wertes, der Anwendung der Folter und der Möglichkeit einer Appellation an eine höhere Instanz — alles unter Flinweis auf die spatmittelalterlichen Autoritaten, die wir schon kennengelernt haben, Zwar ergeben sich aus diesen Handbiichern auch einheimische deutsche Rechtstraditionen, die Mehrzahl der Rechtsregeln ist aber unzweideutig römischkanonischen Ursprungs. Ein friihes Beispiel solcher ProzeBrechtsliteratur mit deutlich römischkanonischem Charakter ist der Processus iudiciarius von Johannes Urbach zu Beginn des 15. Jahrhunderts.^® Urbach griindet seine Darstellung vor allem auf Durantis und in gewisser Flinsicht auch auf Johannes von Lignano (f 1383). Spätere Handbuchverfasser, z. B. Chilian König (um 1470—1526),^' Henning Goden (um 1450—1521),^® Andreas Perneder (f um 1540),*^ Johannes Oldendorp (um 1480—1567),-® Justinus Gobler (1503—1567),“^ Jodocus (Joost) de Damhouder (1507—1581)*- und Matthäus Wesenbeck (1531—1586),^^ verweisen vor allem auf Bartolus und Baldus. Benedikt Carpzov (1595—1666) beruft sich schlieBlich nicht nur auf die mittelalterlichen Autoritäten, sondern auch auf Legisten und Kanonisten des 16. Jahrhunderts und der eigenen Zeit. Die friihen deutschen ProzeBrechtshandbiicher unterscheiden sich regelSiehe hierzu R. Stintzing, Geschichte der populären Literatur des römischkanonischen Rechts in Deutschland, 1867, S. 239 ff. sowie H. Going, Römisches Recht in Deutschland, 1964, S. 195 f. ” Chilian König, Practica und Process, 1577. Henning Goden, Processus Henningi, 1552. Andreas Perneder, Gerichtlicher Process, 1559; Institutiones, 1559; Von Straff vnnd Peen, 1559. Johannes Oldendorp, Actionum ivris civilis loci communes, 1539; Formvla investigandae actionis, 1538; Opera I—II, 1559. Justinus Gobler, Gerichtliche Process, 1578. ** Jodocus Damhouder, Practica Gerichtlicher Handlungen in Burgerlichen Sachen, 1575; Praxis rerum criminalium, 1575; Praxis rerumcriminalium, 1601. Matthäus Wesenbeck, In pandectas ivris civilis et codicis ivstinianei libros commentarii, 1529; Tractatvs et responsa quae uulgo consilia ivris appellantur, 1584. Benedikt Carpzov, Processus iuris in foro Saxonico, 1657;Jurisprudentia forensis Romano-Saxonica, 1650; Practicae novae imperialis Saxonicae rerum criminalium, 1652.
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