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129 die Rezeption des römischen Rechts immer umfassender, um allmählich vollständig zu werden. Bei dem rezipierten Recht handelte es sich vor allem um römisches Recht in der Auslegung und Kommentierung der spatmittelalterlichen Legisten und Kanonisten. Aber auch die humanistische Rechtswissenschaft erhielt gegen Ende des 15. Jahrhunderts und in der ersten Halfte des 16. Jahrhunderts einige Bedeutung u. a. durch die hervorragenden Juristen Ulrich Zasius, Johannes Apel, Gregor Haloander und Bonifacius Amerbach. Wie schon gesagt wurde aber die mittelalterliche römisch-kanonische Ausprägung des römischen Rechts dominierend im Zusammenhang mit dem Durchbruch der protestantischen Orthodoxie und der Gegenreformation. Festzuhalten ist weiter, daB das römische Recht in Deutschland als Kaiserrecht aufgefaBt wurde —eine Meinung, die im 16. Jahrhundert u. a. durch die Legende gestiitzt wurde, nach der Kaiser Lothar im Jahre 1135 durch Reichsgesetzgebung das gesamte römische Recht ubernommen hätte.®® Es ist schon gesagt worden, daB das inquisitorische Verfahren der weltlichen Gerichte in Deutschland auf karolingisches Recht zuriickgefiihrt werden kann. Aus den veröffentlichten Quellen ergibt sich, daB dieser ProzeB von den herrschenden Machten, den Fiirsten und den Regierungen der Städte seit dem Beginn des 13. Jahrhunderts, also gleichzeitig mit der Einfiihrung dieses Prozesses in das kanonische Recht, besonders fiir Strafsachen entwickelt, ubernommen und angewandt worden ist.®** Die Wissenschaftler, die die Entwicklung des Inquisitionsprozesses in Deutschland behandelt haben, haben fiir diese ProzeBrechtsentwicklung vor allem zwei Erklärungen gegeben. Einige haben in ihr eine friihe Rezeption fremden und vor allem römisch-kanonischen Rechts gesehen. Andere haben wiederum diesen Gedanken zuriickgewiesen und erklart, das inquisitorische Verfahren sei in Deutschland völlig selbständig entwickelt worden.®^ Dieses Problem hat hier zweitrangige Bedeutung und soil deshalb nicht näher untersucht werden. Die Feststellung reicht aus, daB der InquisitionsKrause, Kaiserrecht und Rezeption; Wieacker, Privatrechtsgeschichte, S. 140 f., 145, 206; Jägerskiöld, Studier, S. 14 f.; Going, Römisches Recht, S. 92 ff. — Unter Kaiserrecht verstand man urspriinglich bestimmte geltende Rechtssätze, die man einem oder mehreren älteren Kaisern und vor allem Karl dem GroBen zuschrieb. Erst im 15. Jahrhundert im Zusammenhang mit dem zunehmenden EinfluB des römisch-kanonischen Rechts und durch Vermittlung der Juristen kam die Auffassung auf, daB Kaiserrecht in erster Linie gleichbedeutend mit römischem Recht war. E. Schmidt, Einfiihrung in die Geschichte der deutschen Strafrechtspflege, 1965, S. 84 ff.; E. Schmidt, InquisitionsprozeB und Rezeption, 1941, S. 12 ff.; S. Gagnér, i knutzs kunungxs daghum, 1961, S. 134. Zu dieser Debatte siehe u. a. die in Note 60 erwähnten Arbeiten von E. Schmidt und die dort genannte Literatur. Schmidt selbst wendet sich gegen die Theorie einer Rezeption fremden Rechts. Schmidt, InquisitionsprozeB, S. 56 ff. 9 - Inger GO

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