56 Als materielle Norm galt in Pommern zum Teil lubisches, zum Teil mecklenburgisches Recht. Das erstere wurde hauptsächlich in den Kustenstädten, vor allem in Pommern-Wolgast, angewendet. Das galt auch fiir die Residenzstadt Wolgast, während Alten-Stettin, die Residenzstadt in Pommern-Stettin, Magdeburger Recht zu Grunde legted®- Der Anwendbarkeit verschiedener Rechtsquellen entsprachen differenzierte Appellationsbestimmungen. Die Städte liibischen Rechts lieBen Appellation an den Oberhof in Liibeck zu. Hatte sich eine Partei allerdings an das Hofgericht und die andere Partei nach Liibeck gewandt, sollte die Sache vom Hofgericht und nicht in Liibeck entscheiden werden, ,,jedoch einem jedern an seiner wol erlangten habenden freiheit unnd gerechtigkeit unnachteilig“.^^^ 3.1.2.2. Der StrafprozeB Auch im StrafprozeBrecht bekam die Reichsgesetzgebung EinfluB auf die pommersche Entwicklung. Besonders die Constitutio criminalis Carolina (CCC) Karls V. wurde wichtig. Die PHO von 1566/69 schrieb vor, sie in Pommern als ergänzende Rechtsquelle anzuwenden.^^^ Sie wurde auch in Pommern, in Alten-Stettin 1569, gedruckt und gleichzeitig mit der PHO 1569 herausgegeben. Dennoch wurde die strafprozessuale Entwicklung in den Territorien Pommerns weitgehend lokal geprägt, weil die Hofgerichte und vergleichbare Instanzen in Strafprozessen letztinstanzlich entschieden. Der ergänzende Charakter dieser Reichsgesetzgebung kam in der CCC durch die salvatorische Klausel zum Ausdruck, daB die territoriale Strafgesetzgebung mit einigen Ausnahmen durch die CCC nicht auBer Kraft gesetzt wurde. Faktisch wirkte die CCC jedoch während mehrerer hundert Jahre prägend fiir die Strafrechtsanwendung in Deutschland. Der StrafprozeB der CCC wurde von zwei Verfahrensformen geprägt, dem Verfahren auf Initiative der Obrigkeit von Amts wegen und dem Verfahren auf Grund einer Klage des Verletzten. Das letztere Verfahren war formal gesehen ein akkusatorischer ProzeB. In der Praxis unterschieden sich die beiden Verfahrensformen nur durch die Formalitäten der Einleitung. Faktisch waren beide Verfahrensarten im iibrigen inquisitorisch ausgestaltet.^^® Ebel: Lubisches Recht I S. 24 ff. Balthasar: Abhandlung S. 7 und 30. 153 PHO fol. 83. Stralsund hatte wie oben dargelegt eine privilegierte Stellung und war vor 1615 der Jurisdiktion des Hofgerichts nicht unterworfen. — Zur Appellation siehe auch VB 1613 Tit. LVIII. — Uber die Appellation gegen Urtelle des Hofgerichts und das privilegium de non appellando siehe unten Kap. 5.2. S. 231 ff. 154 PHO fol. 109 pag. 2. —Vgl. Schmidt: Einfiihrung S. 135. Conrad: Rechtsgeschichte II S. 407. Vgl. PHO fol. 101 pag. 2. 155 155 156
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