48 Eines der Institute, die vom italienisch-kanonischen ProzeBrecht rezipiert und im RKG weiterentwickelt wurden, war das schriftliche Verfahren. Daraus ergab sich als natiirliche Konsequenz, daB die Gerichtstätigkeit nur beschränkt öffentlich war. Der miindliche Einschlag im KameralprozeB bestand in Audienzen,^®^ in denen am RKG z. B. die Klagschrift dem Gegner vom Gericht ausgehändigt wurde.^®^ In den territorialen Obergerichtsordnungen waren miindliche Einschläge umfassender vorhanden.^®^ In der pommerschen Hofgerichtsordnung (PHO) wird auch davon gesprochen, daB Hofgerichtsaudienzen mindestens sechsmal jährlich in jedem Landesteil, d. h. „imStettinischen Hofflager“ und „imWolgastlichen Hofflager“, stattfinden sollten. Auf den zweiten, vierten und sechsten dieser Gerichtstage sollten die sententiae definitivae, d. h. „Endurtel auch wichtige Interlocutorien, sonderlich die vim difjinitiuae^\ des Hofgerichts verkiindet werden. Sonstige Entscheidungen, „als Super Declinatorijs Indicij, formalihus, desertione Appellationis und dergleichen gemeine Interlocutorien unnd Abschiede“ konnten auf den iibrigen drei Gerichtstagen ergehen; „in geringschetzigen Notarien und Summarischen richtigen Sachen“ konnten „nach furfallender gelegenheit und notwendigkeit Endurtheil und Abscheidt publicirt“ werden,Diese Unterscheidung wurde in der Praxis jedoch nicht angewandt. Im Visitationsbescheid (VB) von 1613 wird gesagt, daB es „bey itziger observantz verbleiben, dass in alien 6. Rechtstagen bey- undendurtell ohne Unterscheid publiciret, und die Sachen so viel niitzlicher befordert werden sollen“.^°' Klagen sollten durch Supplikation zu bestimmten Zeiten vorgebracht werden: Während des Hoflagers in Stettin jede Woche „Mittwochs gegen Abend, und die alsdann nicht ankommen können, des Donnerstages zu Mittage“ und in Wolgast auf entsprechende Weise „des Donnerstages gegen Abendt und die als dann nicht ankommen des Freitages zu Mittage wochentlich (jedoch ausserhalb der Karwoche)“. Zu anderen Zeiten wurden Rechtschutzgesuche nicht entgegengenommen. Zur Zeit des Zustandekomsischen Prozesses stattgefunden hat. Neuerdings hat jedoch Sellert: Stilus Curiae S. 147 ff. diese Betrachtungsweise differenziert. Er sieht die Abschaffung des Artikelprozesses als eine natiirliche Folge der Rechtsentwicklung und entwickelt die Hypothese, daB der ProzeB am Reichshofrat Schrittmacher fiir diese Änderung gewesen sei. Conrad: Rechtsgeschichte II S. 457. Am RHR wurde bis 1617 entsprechend verfahren. Pommern stimmte 1643 mit den Reichsstanden dafiir, daB auch der RHR so verfahren sollte. — Sellert: Stilus Curiae S. 133 f. Buchda, HRG I Sp. 1555. 100 PHO fol. 53 pag. 2 —fol. 54 pag. 1. VB 1613 Tit. XXXI. p)ie PHO verwendet hierfiir den im RKG und RHR verwendeten Begriff „SHpplicationes“. Zu diesem Begriff Hulle, SZGerm 90 (1973) S. 194 ff. und Sellert: Stilus Curiae S. 132 f. 103 104 105
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