44 Dominanz im Gericht geprägt, und die Stadt setzte sich schon friih zum Ziel, sich ganz vom EinfluB des Herzogs zu befreien.®® Diese langwierigen, hauptsächlich wirtschaftlichen Kontroversen wurden wahrend der Regierung des Herzoges Philips II. (1606—1618) durch einen Vertrag vom 27. März 1612 beigelegt.®^ Eine wichtige Frage, die dabei gelöst wurde, betraf eben die Stadtgerichtsbarkeit. Der Vertrag enthielt im Prinzip eine Bestatigung friiherer Vereinbarungen des Inhaltes, daB auf Herzog und Stadt die Hälfte der Einnahmen und Ausgaben des Gerichts entfallen sollten.®® Der Vorsitzende des Gerichts, der SchultheiB,®^ wurde vom Herzog ernannt, die iibrigen Gerichtsmitglieder, ein Gerichtsvogt und elf Schöffen, von der Stadt.®^ Die wichtigste Veränderung, die durch den Vertrag von 1612 eingefiihrt wurde, bestand darin, daB der Herzog in Zukunft die Gerichtsbarkeit direkt durch seinen SchultheiB kontrollierte und nicht mehr nur indirekt iiber das als Lehn vergebene Erbrichter-Amt.®® ®® Thiede: Chronik S. 341 und 359. — Durch neue Verträge von 1507 und 1509 wurde bestimmt, daB die Hälfte aller Einnahmen an den Erbrichter gehen sollte, der damals von der Familie Wussow gestellt wurde, wahrend die andere Hälfte dcr Stadt zufallen sollte. Thiede; Chronik S. 383 f. — Während der Regierung Herzog Johann Friedrichs wurde am 10. Januar 1594 der Anteil des Erbrichters Adam Wussow zu Gunsten des Herzogs eingezogen. Das fiihrte zu neuen Streitigkeiten zwischen Herzog und Stadt. Ober die Familie Wussow: Micraelius: Pommerland Buch 6 S. 547 und Kneschke: Adels-Lexicon 9 S. 614 und dort angefiihrte Literatur. — Uber die ältere Geschichte des Scabinats vgl. Balthasar: Abhandlung S. 44 und 295 f. Barthold: Geschichte I S. 443 und 461; II S. 427, 429 und 446. Friedeborn: Bcschreibung I S. 42, 50, 53 und 60. Petsch: Verfassung S. 29 f. — Abschrift der Vertragsurkunde im RA: Gadebuschska samlingen vol. 29. Summarisch bei Friedeborn: Beschreibung II S. 88 ff. Thiede: Chronik S. 598. Aus dem Jahre 1507. Siehe FuBnote 81. So war es auch in anderen pommerschen Städten gcwesen. Herzog Johann Friedrich (1569—1600) (Pommern-Stettin) hatte jedoch in mehreren Fällen seinen Anteil gegen ein jährliches Entgeld der Stadt an den Herzog abgetreten. Petsch: Verfassung S. 137. Vgl. die Bezeichnung „Schultzen-Gericht zu Alten-Stettin“ im Landtagsabschied vom 12. April 1595; DXhnert: Sammlung I S. 593. — Vgl. Wylud.^: Lehnrecht S. 37. Petsch: Verfassung S. 29 f. und 138. Im Vertrag von 1612 (P. 2: 16) wurde auch die Frage des Forums der eigenen Bediensteten des Herzogs, „unsere Hoffdiener“, bei Straftaten im Gerichtsbezirk der Stadt geregelt. Beging ein Diener ein Verbrechen in der Stadt, das mit „leibes- undt lcbensstraffe“ bedroht war und wurde er auf frischer Tat ertappt, so sollte der Rat (und das Gericht) der Stadt ihn dem Hofmarschall oder SchloBmarschall iibergeben lassen. Wurde der Täter zur Nachtzeit ergriffen, sollte er von der Stadt in sicherem Gewahrsam gehalten werden und am folgenden Morgen an das „Furstl. Haus“ iibergeben werden. Entsprechendes sollte geschehen, wenn ein Hofdiener in der Stadt „bey besatzer wacht gewalt uben“ sollte. Dasselbe Verfahren sollte auch bei den Schiilern des fiirstlichen Pädagogiums in Stettin beobachtet werden, aber nur „m criminalibus. 86
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